Auf Website-Anfrage übermittelte die Leitung des Archivs der Gedenkstätte Auschwitz im Oktober 2018 diese drei erhalten gebliebenen SS-Fotos.
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„Dear Mr Klaus,
Thank you for your inquiry about Wiesel Hulda. I would like to inform you, that in the collection of partially saved documentation of KL Auschwitz, the following information is found:
Wiesel Hulda, (personal data unknown), was transported from KL Ravensbrück to KL Auschwitz where she arrived on March 26th 1942. She was registered as a IBV prisoner (Internationale Bibelforscher – Vereinigung) and she received a camp number 677. The last entry was on July 1st 1943. Unfortunately, there is no additional information about her.
Source of information: the list of transports incoming to Auschwitz, prisoners photo collection (encl.), files of SS-Hygiene Institute
Furthermore, the name of Wiesel Hilda is mentioned in the book Imprisoned for Their Faith: Jehovah’s Witnesses in Auschwitz, written by Teresa Wontor-Cichy.
I would like to explain that during the evacuation and liquidation of KL Auschwitz, by order of the camp authorities, almost all important documents of KL Auschwitz, including prisoners’ personal files, were destroyed. On the basis of partially saved documents, it is impossible to assent full and accurate information on every person imprisoned at the camp.“
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Auf Website-Anfrage – Gedenkstätte des KZ Bergen-Belsen:
Tatsächlich liegen hier einige Informationen zum Verfolgungsweg von Hulda Wiesel, geb. 27.04.1891 in Oldisleben, vor. Sie wurde als Zeugin Jevovas seit 1939 verfolgt. Nach Verbüßung einer zweijährigen Gefängnisstrafe in der Frauenstrafanstalt Meusdorf bei Leipzig wurde sie in das Arbeitserziehungslager Breitenau und im Januar 1921 in das KZ Ravensbrück überstellt. Im März 1942 wird sie nach Auschwitz transportiert und vermutlich im Zuge der Räumung im Februar 1945 nach Bergen-Belsen. Dies alles hat Reiner Hermann zusammengetragen, der intensiv zu den Zeugen Jehovas in Bergen-Belsen recherchiert hat.
Als einzige hier in Kopie vorliegende Quelle sende ich Ihnen anbei eine Seite aus einer britischen Liste aus Bergen-Belsen, die ihre Befreiung im KZ Bergen-Belsen am 15.04.1945 belegt (Provenienz & Copy Rights: International Tracing Service/ITS, Bad Arolsen, digital archive, file No. 3395913).
Etwa 30.000 Überlebende deutscher Konzentrationslager konnten 1945 und 1946 zur Rekonvaleszenz nach Schweden gehen. Unter ihnen befand sich vermutlich auch Hulda Wiesel, die nach ihrer Genesung in Schweden blieb.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Horstmann
Kurator für das Namensverzeichnis der Häftlinge des KZ Bergen-Belsen
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Gedenkstätte Bergen-Belsen
Forschung und Dokumentation
Anne-Frank-Platz
29303 Lohheide
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Hulda Wiesel aus Oldisleben – Hintergrund:
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“Ich war in Auschwitz, ich habe furchtbare Sachen erlebt. Ich mußte nach den Erschießungen an der Schwarzen Wand das Blut zusammenkehren.”
An der Schwarzen Wand wurden von der SS über 20000 Menschen ermordet.
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Der „Stürmerkasten“ in der Adolf-Hitler-Straße von Oldisleben:
“Hitlers willige Vollstrecker” nach 1945:
Nach Angaben von Zeitzeugen der Region gab es auch in Dörfern wie Oldisleben nach 1945 ein regelrechtes Komplott, um schwerbelastete Nazis zu schützen. “Nazi-Amtsträger, Nazi-Aktivisten wurden gedeckt. Das ging nach dem Prinzip `Eine Hand wäscht die andere` – sagst du nichts über mich, sage ich nichts über Dich, wirst du nach der Nazizeit Vorteile haben. Viele, die bei Verbrechen mitgemacht hatten, darin verwickelt waren, kamen auf diese Weise davon.” Eine Rolle habe gespielt, daß manche, die sich nach 1945 als Kommunisten ausgaben, daher auf Verwaltungsposten, Bürgermeisterposten gelangten, in Wahrheit gar keine Kommunisten gewesen seien, bei den Nazis mitgemacht hätten. In Oldisleben spreche in diesem Kontext Bände, daß just Fälle wie Hulda Wiesel oder Hildegard Wilkendorf nicht in der offiziellen Ortschronik von Lehrer Alfred Odebrecht erwähnt werden, natürlich auch nicht die Namen der Denunzianten. “Auch in Oldisleben gab es welche, die an Nazi-Straftaten direkt oder indirekt teilnahmen – nach 1945 aber alles abstritten, stets behaupteten, nichts darüber zu wissen.” Ortschronik-Verfasser Odebrecht sei an der Ostfront gewesen – ob er dort in Verbrechen verwickelt war, wisse man nicht.
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Auf Website-Anfrage übermittelte die Leitung des Archivs der Gedenkstätte Auschwitz im Oktober 2018 diese drei erhalten gebliebenen SS-Fotos.http://www.zeitzeugen-oldisleben.de/2018/10/09/hulda-wiesel-auschwitzhaeftling-aus-oldislebenthueringen-in-ihrem-heimatort-existiert-aus-inzwischen-nachvollziehbaren-gruenden-keinerlei-gedenken-an-die-verfolgte-des-naziregimes-ueberlebende/
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Zu den Gründen der Verhaftung von Hulda Wiesel war in Oldisleben zu vernehmen: „Vielleicht hatte sie ja die Fahne nicht rausgehängt“. (Heimtückegesetz)
Ausriß.(Gunnar Richter: Das Arbeitserziehungslager Breitenau) Ob die Schulen in und um Oldisleben in normalem, erforderlichem Umfange oder sogar sehr ausführlich auf die Biographie von Hulda Wiesel eingehen, ist nicht bekannt – und auch per Internetsuche nicht ersichtlich.https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2011120539885/1/RichterArbeitserziehungslagerBreitenau.pdf
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Dr. Gunnar Richter, Leiter der Gedenkstätte Breitenau, teilt auf Anfrage mit:
Hulda Wiesel: Sie war vom 20.11.41 bis zum 5.1.42 und vom 9.1.42 bis zum 9.2.42 in Breitenau inhaftiert. Sie wurde über die Gestapo Weimar eingewiesen. (Signatur: 7436)
Hulda Wiesel wurde am 27. April 1891 in Oldisleben geboren. Sie hatte nach dem Eintrag in ihrer Gefangenenakte sieben Brüder, deren Namen aber nicht aufgeführt sind. Von Beruf war sie Hausangestellte (Hauswirtschafterin).
Ähnlich, wie bei Erna K., geht auch bei ihr aus einem Schreiben der Gestapo Weimar hervor, dass sie vor der Einweisung in das Lager Breitenau bereits eine Haftstrafe verbüßt hatte. In dem Schreiben vom 18. November 1941 heißt es; Zitat:
„Die Wiesel hat bis zum 8.11.41 eine 2-jährige Gefängnisstrafe wegen illegaler Betätigung für die IBV und Vergehens gegen das Heimtückegesetz verbüßt. Sie ist heute noch Anhängerin der IBV. Ich habe gegen sie beim RSHA. Schutzhaft beantragt. Ich bitte, die W. vorübergehend in die dortige Anstalt als Schutzhaftgefangene aufzunehmen. Die Staatspolizeistelle Kassel hat von der Überführung der W. Kenntnis erhalten. In Vertretung: gez. Bluhm.“
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Aus einem Artikel der Frankenhäuser Zeitung vom 9. Januar 1940 geht Näheres über die Verhaftung von Hulda Wiesel, über „Hitlers willige Vollstrecker“ in Oldisleben hervor. Darin heißt es:
Am 20. November 1941 wurde Hulda Wiesel in das Arbeitserziehungslager Breitenau eingewiesen und von dort am 9. Februar 1942 in das KZ Ravensbrück deportiert (nachdem sie am 5. Januar 1942 bereits ein erstes Mal nach Ravensbrück deportiert worden war, aber bereits vier Tage später aufgrund einer Lagersperre zurückkam). Von Ravensbrück kam Hulda Wiesel am 26. März 1942 mit mehreren Zeuginnen Jehovas nach Auschwitz. Im Zuge der Evakuierung des Lagers Auschwitz, Anfang 1945, kam sie nach Bergen-Belsen, wo sie die Befreiung des Lagers überlebte. In Bergen-Belsen lebte sie noch im August 1945 im DP-Camp – dann verlieren sich ihre Spuren…“
Aus dem Heimatgeschichtlichen Wegweiser geht übrigens hervor, dass auch ein Mann aus Oldisleben, der den Zeugen Jehovas angehörte, verfolgt wurde. Es heißt darin auf Seite 172:
„Widerstand aus dem Glauben leistete Emil Dietrich aus Oldisleben, der zur Gemeinde der Zeugen Jehovas gehörte. Nach Angaben aus dem Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und anschließend in ein Konzentrationslager überstellt. Er überlebte und wurde 1950/1951 in der DDR erneut verfolgt.“
Außerdem heißt es auf Seite 173:
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In diesem Kontext fällt auf, daß die veröffentlichte Ortschronik von Oldisleben viele große weiße Flecken aufweist. Angaben über das Schicksal von Hulda Wiesel, Hildegard Wilkendorf oder Emil Dietrich sucht man vergebens – sehr spärlich sind sogar die Informationen über Fritz Hankel. Man erfährt u.a. nicht einmal, wer Hulda Wiesel anzeigte, wer in Oldisleben wollte, daß sie in ein Konzentrationslager gebracht wird. Im Ort hieß es, der Chronik-Verfasser Alfred Odebrecht habe systematisch die Ortsgeschichte betreffende Dokumente an sich gebracht und niemandem Einblick gewährt. Daher stelle sich die Frage: Was sollte in wessen Interesse verschwiegen werden?
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Archivalnummer | 0153 |
Datierung | 1939 – 1941 |
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https://de.wikipedia.org/wiki/DP-Camp_Belsen
http://studylibde.com/doc/8650429/das-arbeitserziehungslager-breitenau–1940-1945-
Displaying 1–1 of 1 matches for SEARCH WITHIN COLLECTION: 20675; LAST NAME: WIESEL; ACCURACY: EXACT; FIRST NAME: HULDA; ACCURACY: EXACT
https://wc.rootsweb.ancestry.com/cgi-bin/igm.cgi?op=GET&db=charlett&id=I61
https://www.beliebte-vornamen.de/17902-hulda.htm
Ausriß. „Die Mörder sind unter uns“. Hitlers willige Vollstrecker sogar in kleinsten Dörfern – bis heute von interessierter Seite gedeckt.
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Gestapo in Thüringen:https://www.lzt-thueringen.de/files/uellenbd_gestapo-2.pdf
Oldisleben – Nazizeit und Zwangsarbeiter:
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Heimatforscher in höherem Alter weisen 2018 auf einen interessanten Aspekt: In bestimmten Thüringer Städten sei die Nazizeit überhaupt nicht aufgearbeitet, trauten sich Wissenschaftler nicht an das Thema. Dies liege daran, daß nach dem Anschluß von 1990 wieder bestimmte traditionelle Familien politisch-wirtschaftlich das Sagen hätten, die auch zur Nazizeit tonangebend gewesen seien. Diese Familien wollten auf keinen Fall, daß ihre Rolle im Nazi-Kapitalismus bekannt, näher beleuchtet werde.
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