Die Techniker Krankenkasse hat im vergangenen Jahr so viele Verdachtsmeldungen auf Behandlungsfehler registriert wie noch nie. Eine Sprecherin erklärte, rund 5.500 Versicherte hätten sich mit Beschwerden an die Kasse gewandt. Das seien 16 Prozent mehr gewesen als im Jahr zuvor. Die meisten Verdachtsfälle auf Arztfehler habe es bei Chirurgen gegeben, gefolgt von Zahnärzten und Allgemeinmedizinern. Die TK forderte nach eigenen Angaben mehr als 15 Millionen Euro von Ärzten und Kliniken für die Folgekosten von Fehlbehandlungen zurück.“ MDR, 11.3. 2018
Behandlungsfehler:
Der Vorwurf, mit dem sich nun die Staatsanwaltschaft beschäftigt, ist dieser: Die betroffenen Kassen hätten in den vergangenen Jahren Ärzte und Beratungsfirmen dafür bezahlt, dafür zu sorgen, dass bei Patienten Krankheiten diagnostiziert wurden, die diese vielleicht überhaupt nicht hatten oder die Ärzte deutlich übertrieben darstellten. Zum Beispiel Depressionen oder chronische Schmerzen. Das Ziel: den Umverteilungsmechanismus zu ihren Gunsten beeinflussen…Baas hatte sich im vergangenen Herbst in einem Zeitungsinterview öffentlich dazu bekannt, dass auch sein Haus dafür sorge, seine Versicherten von Ärzten als so krank wie möglich diagnostizieren zu lassen…Um dieses Ziel zu erreichen, schlossen die Krankenkassen in den vergangenen Jahren immer mehr Rahmenverträge mit Ärztevereinigungen. In denen war festgelegt, wie viel Geld ein Arzt für jede zusätzlich attestierte Krankheitsdiagnose bekam…Eine Kasse rechnete für den WELT-AM-SONNTAG-Bericht aus, wie viel Geld die Kassen allein für diese Prämienzahlungen an Ärzte ausgaben: rund 842 Millionen Euro pro Jahr. Geld, das in die Taschen von Ärzten floss, anstatt der Krankenversorgung zugutezukommen.“ DIE WELT 2017
„Die Staatsanwaltschaft vermutet Betrug bei gesetzlichen Krankenkassen. Es geht um die Frage, ob die Versicherer ihre Patienten auf dem Papier kränker machten, um die Geldumverteilung beeinflussen…Kassen wie die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) versichern besonders viele Menschen mit niedrigen Einkommen, etwa Hartz-IV-Empfänger, und häufiger als andere Kassen auch alte, kranke Menschen. Ohne die Umverteilung würden die AOK vermutlich von der Kostenlast erdrückt.“
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DER SPIEGEL:
„…Das fängt damit an, dass die gesprächsintensive Arzt-Patienten-Beziehung vernachlässigt wird. Eine der Ursachen ist natürlich der Zeitdruck durch die dünne Personaldecke – auch hier wirkt also die Ökonomie indirekt. Das geht so weit, dass vereinzelt Ärzte Patienten Informationen vorenthalten…Nicht selten würden Untersuchungen angesetzt, die für das Behandlungsziel keine Bedeutung haben, aber den wirtschaftlichen Ertrag steigern…
Was sagen die Geschäftsführer dazu?
Wehkamp: Sie wissen oft nicht wirklich, was an der Behandlungsfront passiert. Viele wollen es auch nicht so genau wissen, stehen sie doch selbst unter Druck, dem Träger des Krankenhauses gegenüber gute wirtschaftliche Ergebnisse liefern zu müssen. Ähnlich wie ein Fußballtrainer sitzen sie auf dem Schleudersitz: Stimmen die Ergebnisse nicht, fliegen sie raus. Sie geben den Druck natürlich weiter an die Chefärzte oder direkt über das Controlling – und die wiederum reichen ihn an die Oberärzte, Fachärzte und Assistenten weiter.
SPIEGEL ONLINE: Müssen sich Assistenzärzte tatsächlich rechtfertigen für die Erlöse einer ganzen Abteilung?
Wehkamp: Das nicht, das gilt eher für den Chefarzt und seine Oberärzte. Aber die Assistenz- und Fachärzte entscheiden mit über die Aufnahme von Patienten und den Zeitpunkt der Entlassung. Außerdem haben sie Einfluss auf die Codierung der Fälle. Gerade die Assistenzärzte sehen sich dann stark genötigt, die wirtschaftliche Situation der Klinik bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen…“ DER SPIEGEL
„Bundesweit komme es aus Kostengründen vor, dass Patienten ohne medizinischen Grund im Krankenhaus behandelt würden, fasste Wehkamp seine Ergebnisse zusammen. Das System gehe zulasten der Patienten und zulasten der Medizin, sagte der Mediziner. Auch das Krankenhauspersonal stehe unter enormem Druck. In der Branche gebe es strukturelle Steuerungsschwächen und teilweise Fehlanreize, so das Fazit der Studienautoren…
Die Mehrheit der Ärzte sieht laut der Befragung die Geschäftsführung, die Verantwortlichen des Trägers oder den Konzernvorstand als den zentralen Ausgangspunkt an. Diese Gremien verfügten über Entscheidungsmacht hinsichtlich Einstellung, Entlassung, Personalbesetzung, Unternehmensstrategie und -zielen, Bonuszahlungen, Eckpunkten der Ressourcenzuteilung sowie der Schließung oder Eröffnung von Stationen.
Von der Ebene der Geschäftsführung gehe die Weisungskette über die Chefärzte, die in der Regel wirtschaftlich relevanten Zielvereinbarungen folgen müssten, zu den Oberärzten. Chefärzte mit älteren Verträgen scheinen laut Studie unabhängiger zu sein. Einige Assistenzärzte erleben ihre Oberärzte laut Befragung als Repräsentanten betriebswirtschaftlicher Ziele.
https://magazin.spiegel.de/SP/2017/46/154232694/index.html?utm_source=spon&utm_campaign=centerpage
„Damit er den Stationsalltag nicht stört und sich selbst nicht gefährdet, wird er mit sedierenden Medikamenten mitunter regelrecht `abgeschossen`, wie es im Klinikjargon heißt…Auch bestimmte Medikamente tragen zum Abrutschen in die Verwirrtheit bei. „
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Top 8: Medikamentöse Ruhigstellung in Altenpflegeheimen
Ältere Menschen werden in Pflegeheimen gegen ihren Willen und häufig ohne Wissen der Angehörigen mit Medikamenten wie Benzodiazepine oder Neuroleptika ruhiggestellt. Von den 2,86 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland leben viele in einer der 11.164 stationären Einrichtungen. Das Pflegepersonal ist häufig mit der Situation konfrontiert, sich zu zweit um 75 bis 100 Patienten kümmern zu müssen, von denen viele unruhig sind oder aufgrund ihrer Demenzerkrankung orientierungslos umherirren. Dieser hohe Arbeitsaufwand kann einer der möglichen Gründe sein, die Pflegebedürftigen zu betäuben. In den deutschen Medien wurde dieser Umstand bislang noch nicht durchleuchtet.
http://www.derblindefleck.de/top-ten-der-vernachlaessigten-nachrichten-2017/
“Natürlich hat die Wirtschaft in Deutschland eine Menge zu sagen. Und es ist auch gut so. Denn Menschen, die in der Wirtschaft tätig sind, wissen besser als Politiker, was wirtschaftlich vernünftig ist. Politiker sollen nur die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setzen…Und sich aus dem Rest raushalten, weil sie die Wirtschaft ansonsten nur behindern.” Guido Westerwelle/FDP. “Dieses Stochern in Problemen gefällt mir nicht. Die Realität ist viel sonniger.”
Ausriß compact 2017: “Widerstand gegen den Raubtierkapitalismus”. Stammt die Äußerung von Ramelow, Bausewein, Schulz – oder gar von Höcke?