In der DDR sei man mit Sexualität und Kinderkriegen angstfrei umgegangen. Aber heute? „Ich stelle leider einen großen Wandel fest“, sagt Kurt Starke. Er leitete ab 1972 das Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig.
Früher sei es im Osten ganz normal gewesen, dass junge Studentinnen selbstbewusst ihrer Lust nachgehen – und dabei auch schon mal ein ungeplantes, nichteheliches Kind in die Welt setzen. „Ein Baby war kein soziales Risiko“, so Starke. Zum Glück sei dafür gesorgt gewesen, dass Mütter mit Kind ihren Weg in den Beruf fanden.
„Wenn das Baby krank war, bekam eben die Oma im Betrieb frei, um sich zu kümmern.“ Bei so einer Absicherung könne jeder entspannt leben und lieben. Im Jahr 2019 stehen Fahrräder statt Kinderwagen vor Unis, Arbeitsstellen und Cafés. Die Idee, als frisch verliebtes Paar spontan zu heiraten und eine Familie zu gründen, ist aus der Mode gekommen.
Dass jemand schon mit 40 Jahren Oma wird, klingt heute abwegig. Prof. Starke: „Zwar sind Kinder in Deutschland ein hoher Wert, sie passen in der Praxis aber nicht in den Lebenslauf.“ Wer als Frau ein langes Studium wie Medizin auf sich nehme und danach erst mal jahrelang als Assistenzärztin in einer Klinik ausgebeutet werde, der könne – wenn überhaupt – erst spät ans Baby- und Familienglück denken.
Hier sieht Starke großen Verbesserungsbedarf. Verloren ging, so sagt er, aber nicht nur die Lebens- und Liebes-Leichtigkeit im Osten. Die Frauen-Emanzipation im vergleichsweise rückschrittlichen Westen sei auch auf der Strecke geblieben. „Es gibt dort immer noch viele Ehen, in denen die Berufstätigkeit der Frau mit der Hochzeit endet“, sagt Starke.
Der Ehemann mache Karriere, während sich die Frau um die Kinder kümmere. „Ist die Mutterrolle erfüllt, lässt der Macho die beruflich unselbstständige Frau für eine Jüngere sitzen.“ Leider werde diese Haltung von vielen Promis vorgelebt. In der DDR dagegen hätten Frauen – ob ledig, verheiratet oder geschieden – ihre berufliche Unabhängigkeit stets bewahrt. Zitat Focus