Sachsen-Brandenburg-Landtagswahlen 2019: Machteliten, deren Politmarionetten, Staats-und Mainstreammedien feuern in der letzten Wahlkampfwoche gleichgeschaltet aus allen Rohren auf die AfD. Wenn diese dennoch ein gutes Ergebnis erreichen würde, wäre dies politisch-soziologisch sehr bemerkenswert…Kurios – AfD läßt sich tagtäglich mit der Nazikeule durchprügeln – und verzichtet auf wichtigste Gegenargumente(SPD-Nazi-Ikone Schmidt, CDU-Liebe zur ukrainischen Rechtsextremistin Timoschenko(„Russen abschlachten!“), GRÜNEN-Idol Timoschenko, Kriegsverbrecher in SPD und CDU etc.).
Ausgerechnet Merkel-Freundin Birthler: „Wer die AfD wählt, wählt Nazis“. Kein Wort zur SPD-Ikone Schmidt(Leningrad-Kriegsverbrechen etc.), zur CDU-Ikone Kohl(„Kohl spendete NS-Verbrechern“)…Medienfunktionäre der Staats-und Mainstreammedien dürfen wegen der scharfen Zensurbestimmungen im Wahlkampf keine entsprechenden Interviewfragen stellen.
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Wie die CDU tickt – warum Kohl das Parteiidol ist:
“Kohl spendete NS-Verbrechern…Kohl hielt den Generaloberst der Waffen-SS für einen anständigen Mann. Dabei hatten dessen Einheiten Kriegsverbrechen begangen. Noch als Kanzler zeigte Kohl Verständnis für die Waffen-SS.” Ausriß DER SPIEGEL 2018. Hätte das AfD-Höcke gemacht, wäre es für Staats-und Mainstreammedien ein weiterer Beweis, daß er nazistisch-rechtsextremistisch ist. Und wie ist das bei Kohl?
Ausriß. Wie Birthler in Sao Paulo zur engen Kooperation von Willy Brandt und Helmut Schmidt mit der nazistisch-antisemitisch orientierten Folterdiktatur Brasiliens schwieg, zur grauenhaften aktuellen Menschenrechtslage ebenfalls:
Andreas Kalbitz verlangt Gehorsam und Loyalität.“ FAZ
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VOR DEN LANDTAGSWAHLEN
„In Ostdeutschland dürfen keine Extremisten das Kommando übernehmen“/DIE WELT
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INTERVIEW MIT KURT BIEDENKOPF:
„Die AfD in Sachsen ist politisch nicht sonderlich bedeutsam“/FAZ
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„Bundeswehr
Offiziere wehren sich gegen AfD“. Tagesschau
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„Industriepräsident Kempf warnt: Ein AfD-Erfolg würde den ostdeutschen Unternehmen schaden.“ FAZ
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„CHAT-PROTOKOLLE ZU CHEMNITZ
Rechtsextreme sollen „Jagd“ auf Ausländer geplant haben“ BILD
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„AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz
Unterwegs mit einem, der Brandenburg entzweit
Rechtes Netzwerk, autoritäre Haltung: Der brandenburgische AfD-Chef Kalbitz will die Landtagswahl gewinnen.“ Berliner Tagesspiegel. „Sollte die AfD Björn Höcke aus der Partei ausschliessen?“.
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„Der Machthaber…Andreas Kalbitz aus Brandenburg…ist autoritär,bestens vernetzt und pflegt Kontakte zu Rechtsextremen“. Relotius-SPIEGEL.
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„Wie, so fragen sich Meinungsmacher und -führer in den Städten, können die Ostdeutschen nur so rassistisch, hasserfüllt und moralisch verkommen sein? Das Kreuz bei der AfD – da ist man sich in Hamburg, München und den trendigen Teilen Berlins sicher – ist verwerflich und Ausdruck von Niedertracht.“ FOCUS.
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„Sachsens SPD-Wahlkämpfer Martin Dulig
Kandidat der Herzen, Partei der Schmerzen.
Die sächsische SPD nähert sich in Umfragen der Fünf-Prozent-Marke – von oben. Dabei ist Spitzenkandidat Martin Dulig beliebt und betreibt einen ungewöhnlichen Wahlkampf.“ Relotius-SPIEGEL.
„Bundes-AfD geht auf Distanz zu Björn Höcke“. Westdeutsche Thüringer Allgemeine(Funke-Medienkonzern Essen/NRW). „Neue Umfrage: Rot-Rot-Grün könnte Thüringen weiterregieren.“
Angeblich wären alle Parteien von Plakat-Vandalismus betroffen, titelt aktuell die Morgenpost, aber nur eine würde darüber jammern – die AfD.
Karin Wilke, medienpolitische Sprecherin, erklärt:
„Es ist äußerst abstoßend, wie die Morgenpost erneut jegliche journalistische Sorgfalt und Ausgewogenheit über Bord wirft und einseitig gegen die AfD hetzt. Mit dieser verzerrten Berichterstattung befeuert das Boulevardblatt, das zu großen Teilen der SPD gehört, die allgemeine Politik- und Medienverdrossenheit und erweist der Demokratie einen Bärendienst.
Zu den Fakten: Laut Polizeistatistik gab es bisher 700 Straftaten aufgrund abgerissener Plakaten in Sachsen, davon 250 gegen die AfD. Mit weitem Abstand folgen Linke und CDU mit je 60 Straftaten. Dabei zählen z.B. die 200 zerstörten AfD-Plakate in Radebeul genauso als eine Straftat wie ein bemaltes CDU-Plakat. Allein in Dresden wurden bisher 95 Vorfälle angezeigt, mit insgesamt 528 zerstörten Plakaten.
Zudem ist die AfD wahrnehmbar die einzige Partei, deren Wahlkämpfer auch körperlich angegriffen wurden. Die brutale Faust-Attacke eines Linksradikalen auf den stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Dr. Keiler in Dresden wurde auf Video dokumentiert und tausendfach in sozialen Netzwerken geteilt. Erst diese Woche wurde ein AfD-Mitglied beim Plakatieren von der Leiter gestoßen, ein anderes wurde durch mutmaßliche Linksextremisten am Auge verletzt.
Dass die AfD am meisten von allen Parteien attackiert wird, ist seit Jahren bekannt. So gab es in dieser Legislaturperiode doppelt so viele Anschläge auf AfD-Büros in Sachsen wie auf alle anderen Parteien zusammen. Genau das gleiche Bild ergibt sich bei Angriffen auf Politiker deutschlandweit, wie eine aktuelle Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion aufzeigt. Von 589 Angriffen galten 295 AfD-Repräsentanten.
Von alledem hat nun die Morgenpost entweder nichts mitbekommen oder sie unterschlägt es bewusst. Politische Lückenpresse kann ich da nur sagen.“
Ausriß BILD: Sachsens politische Witzfigur Kretschmer. Wann positioniert er sich endlich zu Kriegsverbrechern, hochrangigen Nazis, Judenhassern in seiner eigenen Partei?
BILD: Kanzlerin Angela Merkel stellte klar: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun.“
“…nach den ausländerfeindlichen Hetzjagden vor einer Woche…” Westdeutsche Thüringer Allgemeine (Funke-Medienkonzern in Essen/NRW) am 4.9. 2018. Per Google-Suche hat man rasch heraus, auf welche deutschen Medien sich CDU-Kretschmer bezieht.
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MDR: In vielen Medienberichten und Kommentaren über Chemnitz seien harte, pauschale und falsche Urteile getroffen worden. “Es gab keinen Mob, keine Pogrome oder Hetzjagden”, so Kretschmer. Es sei auch keine Mehrheit gewesen, die in Chemnitz ausfällig geworden sei.
“Sie schlugen ihm mit einem unbekannten Gegenstand gegen den Kopf und flüchteten in Richtung Bleicherstraße. “Bremer Polizei, 7.1. 2019. „Ermittlungsverfahren“ bald eingestellt…
Nur Folgen eines Sturzes? Ausriß.
“Wir gehen davon aus, dass die gesamten Verletzungen allein dem Sturz geschuldet sind”, sagte Passade.(Staatsanwaltschaft Bremen in Tagesschau).
“Undeutlich ist ein zweiter Schlag, möglicherweise mit einem Gegenstand, zu sehen.” BILD, 12.1. 2019. Was stimmt denn nun, Sturzverletzung oder zweiter Schlag mit Gegenstand? Fragen über Fragen…Ermittlungsverfahren erwartungsgemäß eingestellt:
taz: Die Staatsanwaltschaft Bremen hat die Ermittlungen zu einem Angriff auf den AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz eingestellt. „Ein Tatverdächtiger ist nicht ermittelt worden“, sagte Behördensprecher Frank Passade am Montag. Der Bremer Landeschef der rechtsgerichteten Partei war am 7. Januar hinterrücks von Unbekannten niedergeworfen worden. Über die Einstellung der Ermittlungen hatte auch Radio Bremen berichtet.
Zwar seien etwa 200 Hinweise eingegangen, aber die Tat habe sich nicht aufklären lassen, sagte Staatsanwalt Passade. taz
Zwangsfinanzierter MDR nennt im Kalenderblatt des 27.1. 2019 die Blockade von Leningrad ein Kriegsverbrechen – verschweigt aber, daß das spätere SPD-Idol Helmut Schmidt an diesem Kriegsverbrechen sehr aktiv beteiligt war:”…ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”…”Während der deutschen Blockade verhungerten mehr als eine Million Menschen”.
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Mann aus Westdeutschland(Schleswig-Holstein) spielt vor KZ-Gedenkstätte Buchenwald in Ostdeutschland(Thüringen) Hitlerrede und Wehrmachtsmusik ab. Was vor 1990 undenkbar war, welche Autoritäten heute derartiges möglich machen…Ausriß Mopo, 11.10.2016. Große Probleme vieler Ostdeutscher mit Nazi-Westdeutschland, “Nazistan”(Peter Hacks). Da der deutsche Hitlerfaschismus weder national noch sozialistisch war, wird er heute offiziell als Nationalsozialismus bezeichnet…
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Rechtsstaat BRD: “Umgerechnet auf die Bevölkerung, ging der Osten wesentlich rigoroser gegen nachgewiesenermaßen belastete Nazis vor und verurteilte etwa achtmal mehr Täter als der Westen.” Klaus Behling, Die Kriminalgeschichte der DDR, edition berolina.
Ausriß. Groteske Selbstdarstellung des Niedersachsen Ramelow 2019 im zwangsfinanzierten MDR-Riverboat…(Wahlkampfmodus). Am Abend nach der Landtags-Gedenksitzung hätte der Niedersachse im Ostgebiet eigentlich mal ein paar Takte zu SPD-Schmidt und der Leningrad-Blockade sagen können, zum GRÜNEN-Idol Timoschenko(„Russen abschlachten“)…
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Sabine Pamperrien:”Helmut Schmidt und der Scheißkrieg: Die Biografie 1918 bis 1945?. “Auf der Jagd nach Wählerstimmen warben CDU und SPD in der Nachkriegszeit um die Veteranen der Waffen-SS.” DER SPIEGEL über den braunen Westen.
“Auch CDU-Kanzler Konrad Adenauer und SPD-Nachkriegschef Kurt Schumacher werben um die Wählerstimmen der früheren Elitetruppe, die von den alliierten Richtern im Nürnberger Militärtribunal zur `verbrecherischen Organisation` erklärt wurde.”
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Warum weder Niedersachse Ramelow noch CDU-Diezel noch Götz Aly in der Landtagssitzung über das SPD-Idol Helmut Schmidt sprechen – trotz des sehr aktuellen Anlasses, dem Thüringen-Wahlkampf 2019:
13.11.15 | Kritik
Oberleutnant der Wehrmacht Schmidt ist tot/Kritische Perspektive 2015
Während die Presse um einen altgedienten Wehrmachtssoldaten trauert, würdigen wir den Idealtypus eines deutschen Sozialdemokraten Helmut Schmidt auf unsere Weise.
Frühe Verbrechen
Helmut Schmidt war gern Soldat. Und er „diente“ gern Deutschland. Zwar wurde er wegen „flotter Sprüche“, wie es auf wikipedia heißt, mit 17 Jahren aus der Marine-Hitlerjugend rausgeworfen, doch konnte er seine angeschlagene Reputation bald durch treue Dienste in der Luftabwehr des Nazi-Reiches wieder aufpolieren. Nach dem deutschen Überfall auf Polen („Ich glaubte tatsächlich, die Polen hätten den Sender Gleiwitz überfallen, weshalb wir Deutsche uns jetzt wehren müssten.“ [Hartmut Soell: Helmut Schmidt, Bd. 1, S. 97]), versuchte Schmidt im Frühjahr 1940 alles, um an die Front zu kommen und dort sich als Deutscher zu wehren – wohlgemerkt ein halbes Jahr nachdem der polnische Staat bereits zerschlagen und seine Bevölkerung in die Hölle auf Erden gestürzt war. Schmidt, der seine damalige Haltung in seinen Aufzeichnungen als „gespaltenes Bewusstsein“ – also kein Nazi, dafür pflichtbewusst deutsch – beschrieb, wurde schließlich im August 1941 mit einer Flak-Einheit der 1. Panzerdivision an die Ostfront verlegt. Dort beteiligte Schmidt sich an der Blockade von Leningrad. Die Stadt wurde von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten und die Bevölkerung der Stadt sollte schlichtweg ausgehungert und mit Brand- und Sprengbomben ermordet werden, von denen bis Ende 1941 ca. 70.000 über der Stadt abgeworfen wuden. Zu den Zuständen in Leningrad heißt es beim Deutschen Historischen Museum:
„Mangelerscheinungen, Seuchen und Krankheiten bestimmten den Alltag der eingeschlossenen Leningrader. 450 Gramm Brot täglich erhielt ein Arbeiter zu Beginn der Blockade für seine Lebensmittelkarte, zwei Monate später nur noch die Hälfte. Katzen, Hunde und Ratten dienten ebenso als Nahrung wie Rinden oder essbares Sägemehl. Viele versuchten durch Überfälle und Raub von Lebensmitteln oder Kannibalismus dem qualvollen Hungertod zu entgehen, den Zehntausende monatlich starben. Zu den Entbehrungen gesellten sich in den Wintermonaten eisige Temperaturen von minus 40 Grad. Die Leichen der Erfrorenen, an Hunger und Erschöpfung Gestorbenen oder an der Front Gefallenen türmten sich an den Stadträndern. Erst mit Beginn des Tauwetters erlaubte der gefrorene Boden die Bestattung in Massengräbern. Der Frost ermöglichte im Winter aber auch die notdürftige Versorgung der Stadt von Lednewo über die Eisflächen des zugefrorenen Ladoga-Sees. Gleichzeitig konnten auf diesem Weg Hunderttausende Menschen aus der Stadt evakuiert werden.“ (DHM)
Und so wehrte sich Helmut Schmidt fünf Jahre lang für seine Deutschen. Von der Shoa hat Schmidt natürlich nichts mitbekommen und von den Massenmorden an der Bevölkerung Osteuropas natürlich auch nichts. Trotz seiner schweren Jahre im Krieg für Deutschland hat Schmidt, laut seinem Biografen Hartmut Soell, stets ein hochempfindliches Feingespür für gesellschaftliche Zusammenhänge behalten: „Dennoch hat ihn (…) nach Kriegsende, als das ganze Ausmaß des Völkermords an den Juden wie der Verfolgung anderer Minderheiten sichtbar geworden war, das Gefühl nicht mehr verlassen, dadurch schuldig geworden zu sein, dass er als Beteiligter der Eroberung des Raumes im Osten die objektiven Voraussetzungen für das Vernichtungswerk des NS-Regimes mitgeschaffen hatte.“ (Soell, S. 108)
Sabine Pamperrien wies in ihrer im Jahr 2014 erschienenen Schmidt-Biografie schließlich auch nach, dass dem selbsternannten Gegner des Nationalsozialismus mehrfach durch seine Vorgesetzten eine tadellose nationalsozialistische Haltungattestiert wurde.
Der Krieg verloren, der Kampf geht weiter
Schmidts Kampf für Deutschland war mit dem verlorenen Krieg nicht beendet. Doch was tun, wenn der Traum von Großdeutschland geplatzt, die Welt zwar in Brand gesteckt, aber dann doch nicht völlig dem deutschen Wahn unterworfen? Helmut Schmidt tritt nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft in die SPD ein. Schmidt machte schnell Parteikarriere und zog über die Zwischenstation Hamburg in den Bundestag ein. Bei der Sturmflut auf Hamburg von 1962 erlangte Schmidt große Popularität, weil er Dinge anpackt: Ohne gesetzliche Grundlage und Absprache mit anderen Funktionsträgern nutzte Schmidt seine nach wie vor ausgeprägten Seilschaften zu den alten Kameraden des Militärs, das bei der Bekämpfung der Folgen anpackte und erreichte so, dass nachhaltig der Eindruck entstand, dass es unbedingt eine Bundeswehr braucht, um Naturkatastrophen zu begegnen; eine Auffassung, die bis in die Gegenwart noch Einsätze des Militärs im Inland legitimieren hilft…Zitat Kritische Perspektive
“Bundeskanzlerin Merkel ist zur größten Antisemiten-Importeurin der deutschen Geschichte geworden”. Frauke Petry über die Politikerin der CDU, die nach 1945 auffällig viele hohe, schwerbelastete Nazis in ihre Reihen aufnahm.
In Straßendiskussionen Ostdeutschlands bringen es manche auf die einfache Formel:”Wer Judenhasser ins Land holt, ist ein Nazi!”
“Flüchtlingskrise kostet uns alle in den nächsten vier Jahren 80 Milliarden Euro!” BILD 2018
Ausriß BILD 2018: “Deshalb tobt nun erneut ein harter Streit, wer welchen Teil der Flüchtlings-Rechnung zahlt: Bund oder Länder. In jedem Fall aber: der Steuerzahler!”
“Hartmut Mechtel. Im Osten nichts Neues. Protokolle und Notizen zur Zeitgeschichte 1989 bis 1992?. Neudruck 2019
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Ausriß. “Ich hätte diese Revolution nicht so machen können, wenn ich gewußt hätte, was auf uns zukommt. Daß dieses Land BRD so unbeweglich in sich ist und so voller anderer Zwänge steckt, so voller Gelddiktatur, das habe ich nicht geahnt.”Ausriss aus dem Interview mit der Potsdamer Bürgerrechtlerin Gabriele
Grafenhorst.
Ausriß. “Als ich auf die Straße ging, wollte ich Demokratie und Offenheit erreichen. Herausgekommen ist, daß wir statt von verkalkten idealmordenden Greisen von einer Geldmafia regiert werden. Die Politiker nehmen uns die Illusionen über Demokratie…”
Mit der rechten Opposition der DDR – Eppelmann & Co. – hatte ich nie was am Hut, ich bin denen nie begegnet. Ich habe mich aus dem Neuen Forum zurückgezogen, als die Aktivisten der letzten Sekunde (Gauck, Merkel und tausende andere) zu den Bewegungen stießen (als klar waren, dass wir nicht erschossen werden, strömten sie herbei und waren schon immer dagegen gewesen) und auf einmal die Mehrheit waren; alle eher linken Oppositionellen wurden im letzten Jahr der DDR aus der Opposition gedrängt (oder arrangierten sich mit den Grünen oder der SPD). Ich bin seit meinem Austritt (Rücktritt von Leitungsfunktionen im Neuen Forum im Dezember 1989, Austritt aus dem Forum Mitte 1990) unpolitisch; ich sage durchaus gelegentlich meine Meinung (die von der aller, wirklich aller mir bekannten Parteien abweicht), bin aber politisch nicht mehr aktiv. Insofern habe auch ich zum Jugoslawienkrieg geschwiegen – und zu vielem anderen. Den Exkurs zur Depression erspare ich uns hier; es geht nicht um mich, sondern um die Wahlen.
Am 18. 3. 1990 war ich bei der ersten freien Wahl in der DDR Wahlleiter im Kreis Rathenow. Da gab es keine Unregelmäßigkeiten oder sonstigen Einmischungsversuche. Die Bürgerbewegungen schmierten schon kräftig ab. Und die SPD Ost war spätestens mit der Entlarvung ihres Vorsitzenden Ibrahim Böhme (durch den Spiegel) als Stasispitzel abgeschmiert, Böhme trat zurück, stritt aber alles ab, bekam wieder Ämter, bis er noch gründlicher entlarvt wurde. Da Böhme der erste in mein Umfeld eingeschleuste Informant war (er wurde 1978 in Neubrandenburg ziemlich vergeblich auf mich angesetzt), weiß ich, dass er trotz seines Leugnens bis zum Tode wirklich ein Spitzel war. Der demokratische Aufbruch (später mit der CDU fusioniert) kränkelte auch unter dem Stasiverdacht; ihr Chef Wolfgang Schnur war Spitzel, aber die hatten ja noch Eppelmann, der wenigstens nicht bei der Stasi war. Also litt der “Aufbruch” – im Wahlbündnis “Allianz für Deutschland” mit der CDU und anderen Rechten (DSU) vereinigt – weniger als die Ost-SPD unter den Enthüllungen, die CDU-Allianz hatte in ihrer Gesamtheit den Kohlbonus, und Eppelmann wurde gar Minister in der ersten wirklich gewählten und nicht durch Falten bestimmten DDR-Regierung. Warum hatten die Leute diese Allianz gewählt? Weil aus “Wir sind das Volk” (so waren wir angetreten; die Partei betonte gern und oft die Übereinstimmung mit dem Volk, und wir sagten: Wir sind nicht einverstanden) (das war die revolutionäre Phase der “friedlichen Revolution”) längst der Ruf geworden war: Wir sind ein Volk. Der Ruf stimmte zwar sachlich auch, das waren wir ja wirklich, aber damit begann die Anschlusspropaganda, und die ging (erst mal) nicht (nur) vom Westen aus. Kohl griff sie auf, unterstützte die ostdeutsche “Allianz” beim Zusammenschluss, aber das war eine von vielen erwünschte Einmischung. Die bei der ersten freien Volkskammerwahl dann mit absoluten Mehrheiten belohnt wurde.
Ein Dreivierteljahr später gab es dann die erste gesamtdeutsche Wahl. Da war ich nur noch Wähler, keiner Partei verbunden. Hintergrundeinsichten hatte ich nun nicht mehr. Aber ich habe vom Rande aus zugesehen, wie alles den Bach runtergeht. Und wäre die Wahl dreckig gewesen, wäre mir das aufgefallen. Was Bahr gesagt hat, ist das Gewinsel eines schlechten Wahlverlierers. Natürlich hat die Dampfwalze Kohl alles überrollt. Natürlich machte die CDU den besseren Wahlkampf. Natürlich log Kohl (wie alle Politiker) über die blühenden Welten im Osten, die er schaffen wollte. So what! Alle anderen Parteien logen und heuchelten auch. Darum bin ich ja raus aus der Politik. Ich wollte mit denen allen nichts zu tun haben. Und die SPD hat sich ihren Misserfolg im Osten selber zuzuschreiben. Lafontaine wollte die Vereinigung ausbremsen, sagte nicht das, was die meisten Leute im Osten hören wollten. Kohl sagte es: Blühende Landschaften! Da brauchte es keine Gewaltmaßnahmen, keine Bestechungen, nicht mal geheimdienstliche Einmischungen: Die Leute waren mehrheitlich so drauf. Die Einheit war ihnen wichtiger als alles andere. Sie war nun vollzogen, und bei der ersten gesamtdeutschen Wahl wurde Kohl dafür belohnt. Der wollte ja wirklich die runtergewirtschaftete Ex-DDR zum Blühen bringen, glaubten viele. Und die SPD wurde abgestraft. Schmutziger Wahlkampf ist, mit Verlaub, Blödsinn. Der war nicht schmutziger als jeder andere westliche Wahlkampf auch (und gegen das, was die Amerikaner gemeinhin propagandistisch abziehen, nachgerade blitzsauber). Die Verbrechen spielten sich auf einer anderen Ebene ab. Der Einigungsvertrag (auf DDR-Seite von den rechten Allianzlern um Eppelmann und de Maizière ausgehandelt) zog die DDR über den Tisch, das Eigentum geriet in Westhand, die Treuhand trampelte später gründlich auf den Trümmern herum. Kein Anschluss unter dieser Nummer (Artikel 23 des Grundgesetzes) hatten die Überreste der eher linken Opposition skandiert (wir wollten Artikel 147 – gesamtdeutsche neue Verfassungsgebung; ich hatte im Vorfeld auch ein paar Vorschläge eingereicht); unsere Leute (das damals noch moderatere Neue Forum, später Bündnis 90/Die Grünen) wurden (schon bei der ersten 90er-Wahl) nicht akzeptiert, die Mehrheit wollte Kohls Osthelfer haben. Und bekam sie. Und den Anschluss unter der falschen Nummer. Und den Ausverkauf der DDR. Und die Übernahme durch Westbesitzer. Den Triumphzug des Kapitalismus. Harter Wahlkampf? War gar nicht nötig. Schmutzig ist eher die Uminterpretation der Wahlniederlage der SPD. Bahrs Blödsinn steht auf einer Stufe mit dem Gewimmer der Demokraten und deren höriger Mainstreampresse darüber, dass Trump gewählt wurde, weil Putin die Wahl beeinflusst habe. Es gibt dafür keine Belege, aber sie jammern weiter. Ich denke, das Gerede über schmutzige Wahlen (die es nicht gab) lenkt nur ab von den tatsächlichen Verbrechen. Es verkleinert die kriminelle Übernahme, weil sie mit dümmlicher Hinterzimmerpropaganda kaschiert wird.
Die blitzgewendete Ost-CDU und deren verbündete Allianzler (und später die vereinigte CDU) setzten sich nicht durch, weil Schläger die potentiellen SPD-Wähler vertrimmt haben (was es im Einzelfall sogar gegeben haben mag), sondern weil eine Mehrheit von denen beschissen werden wollte und nicht von den Einheits-Zauderern. Bei den Wahlen wurde nicht geschummelt. Kriminell ist das, was dazwischen und danach geschah. Die Eppelmänner und Birthlers und Gaucks (und deren in Vor- und Hinterzimmern engagierten Dunkelmänner) haben durch Ernsteres als Wahlgeschummel das Recht verwirkt, als Stimme der Aufrechten akzeptiert zu werden: Durch den Ausverkauf der DDR. Die Unterwerfung unter den Kapitalismus. Die Arschleckerei bei den neuen Herren. Die Auslöschung der DDR-Geschichte in der Erinnerung durch deren Reduzierung auf SED und Stasi.Wie auch immer: Ich bleibe unpolitisch.
Hartmut Mechtel
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Ergebnisse(DDR-BRD-Vergleich)
(Auszug aus dem Ergebnisbericht Welle 21, 2007)
Die Sächsische Längsschnittstudie dokumentiert in wohl einmaliger Weise den massiven Wandel, der sich bei jungen Ostdeutschen des Geburtsjahrganges 1973 zwischen ihrem 14. und 34. Lebensjahr (2007) in Bezug auf ihr politisches Bewusstsein vollzogen hat, ausgelöst durch das Ende der DDR und des realen Sozialismus, die schockartigen Veränderungen in der Wendezeit und das unmittelbare Erleben des realen Kapitalismus, den sie bisher nur aus den Medien und ihren Lehrbüchern kannten. Damit ist der weitaus größte Teil ihres bisherigen bewussten Lebens von weit reichenden und tiefgehenden Umbrüchen beeinflusst worden, deren Folgen für ihre weitere Persönlichkeitsentwicklung heute noch nicht absehbar sind.
Die wichtigsten Trendlinien des politischen Einstellungswandels im Untersuchungszeitraum 1987 bis 2007 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Die Ergebnisse aus der ersten Phase dieser Studie vor der Wende (1987 – Frühjahr 1989) widerspiegeln die Enttäuschungen der damals 14- bis 16-jährigen Panelmitglieder vom “real existierenden Sozialismus” in der Endzeit der DDR. Ihre politische Identifikation mit der DDR, mit dem Sozialismus überhaupt, mit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung ging von Jahr zu Jahr mehr oder weniger deutlich zurück. An der Politik der SED wurde deutliche Kritik geäußert.
Von diesen regressiven Tendenzen faktisch ausgenommen war jedoch ihre Überzeugung, in der DDR eine sichere Zukunft zu haben. Diese Zuversicht hatte vorwiegend sozialpolitische Grundlagen, darunter nicht zuletzt die Tatsache, dass im Frühjahr 1989, am Ende der 10. Klasse, für faktisch alle TeilnehmerInnen der Untersuchung feststand, wie es nach der Schulzeit weitergeht. Sie hatten eine sichere berufliche Perspektive, für Ängste um einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz bestand kein Anlass. Arbeitslosigkeit war für sie ein Begriff aus einer anderen Welt.
Diese und weitere sozialen Grunderfahrungen im stark prägenden Kindes- und Jugendalter wirken nachhaltig bis in die Gegenwart und bilden den Kern einer noch immer bestehenden, seit Jahren sogar erneut zunehmenden emotionalen Verbundenheit mit der DDR. Sie sind auch aufschlussreich für das Verstehen gegenwärtiger, teilweise unerwarteter Reaktionen dieser jungen Frauen und Männer auf die Folgen des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik und der Transformationsprozesse in Ostdeutschland.
2. Viele Jahre bestand bei diesen jungen Leuten des Jahrganges ’73 Ost Konsens darüber, dass die Wende richtig war. Diese generelle Bejahung ist seit Beginn des Jahrzehnts erheblich zurückgegangen. Die politischen Verhältnisse in der DDR wollen sie (von einer Minderheit abgesehen) zwar nicht zurück, die meisten bezweifeln aber in zunehmendem Maße, dass die Ziele der “friedlichen Revolution” vom Herbst ’89 erreicht wurden. Sehr viele stellen auch in Frage, dass die Ostdeutschen damit die erhoffte Freiheit errungen haben, vor allem dann, wenn sie längere Zeit arbeitslos waren, mehr und mehr mit früher unbekannten Existenzängsten zu kämpfen haben und sich erhebliche Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen.
3. Das formell geeinte Deutschland ist für die meisten von ihnen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sie haben von ihm Besitz ergriffen, anerkennen und nutzen die sich aus der Vereinigung ergebenden Vorteile pragmatisch für ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre berufliche Karriere, nicht zuletzt dafür, die neu gewonnene Reisefreiheit zu praktizieren.
Allerdings ist in der jüngsten Zeit ein Rückgang der Zustimmung zu beobachten. Außerdem bejaht 2007 nur die Hälfte dieser jungen Erwachsenen die elementare Frage, ob denn überhaupt zusammen gehört, was zusammenwachsen soll, die andere Hälfte ist sich darüber nicht im klaren (37 %!) oder verneint die Frage sogar (12 %).
Die Vereinigungsfolgen für Ostdeutschland werden noch immer überwiegend ambivalent bewertet. Der vermutete Zeitpunkt für die Herstellung der wirtschaftlichen und der inneren Einheit wurde von Jahr zu Jahr weiter in die Zukunft hinaus geschoben, sie wird für sie mehr und mehr zu einer Utopie – Widerspiegelung erheblicher Enttäuschungen von den Realitäten des Vereinigungsprozesses.
Als “Gewinner” der Einheit versteht sich knapp die Hälfte der Panelmitglieder, allerdings die wenigsten davon (15 %) ohne Einschränkung. Wie bei kaum einer anderen grundsätzlichen Frage springen in dieser Beziehung die gegenüber den jungen Männern durchgehend kritischeren Auffassungen der jungen Frauen ins Auge: Mehr oder weniger als “Gewinner” sehen sich 62 % der Männer, aber nur 38 % der Frauen!
4. Aus den langjährigen Trends geht klar hervor: Die grundsätzliche Bejahung der deutschen Einheit ist nicht identisch mit der Zustimmung zum gegenwärtigen Gesellschaftssystem. Dieses System wird auch reichlich anderthalb Jahrzehnte nach der Herstellung der Einheit mehrheitlich kritisch oder ablehnend betrachtet, in jüngster Zeit sogar mit deutlich zunehmender Tendenz. Das betrifft in besonderem Maße die jetzige Wirtschaftsordnung und – damit eng zusammenhängend – das politische System in der Bundesrepublik.
Die ohnehin geringe Zufriedenheit mit beiden Seiten ging schon am Ende der Kohl-Ära stark zurück, nach einem kurzzeitigen Anstieg nach dem Regierungswechsel 1998 und den damit verbundenen neuen Hoffnungen hat sie danach erneut mehr als zuvor abgenommen. Nur Minderheiten sind zufrieden mit der Sozialpolitik, der Familienpolitik, der Gesundheitspolitik und der Lohnpolitik in Ostdeutschland.
Besonders schwerwiegend für das kritische Verhältnis der jungen Frauen und Männer zum jetzigen System ist ihre mehrheitliche Unzufriedenheit mit der Demokratie. Das von Anfang an auffällige Defizit an persönlich erfahrenen Möglichkeiten demokratischer Mitgestaltung konterkariert die ihr zugeschriebene fundamentale Bedeutung für die jetzige Gesellschaft.
5. Die Bereitschaft der Panelmitglieder zur gesellschaftlichen Partizipation ist von Jahr zu Jahr geringer geworden und geht gegen Null. Diese Orientierung, die schon in der Endzeit der DDR stark zurück gegangen war, nahm nach der Wende keinen Aufschwung, sondern stürzte im Gegenteil völlig ab.
Auch der starke Rückgang des Strebens nach Aufstieg in der jetzigen Gesellschaft ist Ausdruck des massiven Abbaus der Bereitschaft zur Unterstützung des politischen Systems. Hintergrund ist vor allem die Erfahrung, als Ostdeutscher nach wie vor nur geringe Chancen zu haben, in die vorwiegend von Westdeutschen dominierte gesellschaftliche Elite aufgenommen zu werden – ein generelles Problem der ostdeutschen Gesellschaft, an dem sich seit Jahren nichts geändert hat.
6. Vertrauen zu den demokratischen Parteien ist generell kaum vorhanden. Die Trends belegen: Die verbreitete Unzufriedenheit mit dem politischen System, mit der gesellschaftlichen Entwicklung insgesamt geht in beträchtlichem Maße auf die sehr schwache Vertrauensbasis faktisch aller demokratischen Parteien zurück. Die geäußerten Parteipräferenzen sagen erstaunlich wenig über den Grad tatsächlich bestehender Vertrauensbeziehungen aus. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In den letzten Jahren hat sich der Anteil der jungen Erwachsenen, die zu keiner der etablierten Parteien Vertrauen haben, ständig erhöht. Länger anhaltende Bindungen an die Parteien bestehen nur bei Minderheiten.
Stark beeinflusst wird dieser Prozess durch die äußerst kritische Sicht der 34-Jährigen auf die politische Klasse und die Wirtschaftsführer. Die meisten meinen, dass die heute herrschenden Politiker in erster Linie die Politik der Reichen und Mächtigen vertreten, im Hinblick auf Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern werden sie auf eine Stufe mit den Politikern in der DDR gestellt. Vertrauen zur Regierung haben 2007 lediglich 15 %, 85 % äußern das Gegenteil. Politik und Vertrauen schließen sich für sie offenbar immer mehr aus.
7. Die deutliche Kritik am kapitalistisch verfassten System äußert sich darin, dass viele Panelmitglieder der jetzigen Gesellschaft heute Merkmale zuschreiben, die ihnen in der Schule Staatsbürgerkundeunterricht gelehrt wurden. Das betrifft insbesondere die Existenz von Ausbeutung und von Klassenkampf. Die übergroße Mehrheit vertritt seit Jahren den Standpunkt, es sei nicht alles falsch gewesen, was sie in der Schule über den Kapitalismus gelernt haben, was zugleich eine Aufwertung früherer politischer Bildung und Erziehung bedeutet.
Die kritische Sicht dieser jungen Ostdeutschen auf das jetzige Gesellschaftssystem kulminiert in weit verbreiteten und weiter wachsenden Zweifeln an seiner Zukunftsfähigkeit. Nur weniger als 10 % glauben daran, dass dieses System die dringenden Menschheitsprobleme lösen wird und dass es das einzige menschenwürdige Zukunftsmodell sei. Ebenfalls weniger als 10 % hoffen, dass das jetzige System für immer erhalten bleibt, die meisten wünschen das Gegenteil. Und nur ein kleiner Teil bejaht, dass im Kapitalismus Freiheit existiert und die Menschenrechte geachtet werden. Der Anteil derer, die die Entwicklung in Ostdeutschland seit der Wende als Fortschritt bewerten, ist deutlich zurückgegangen. Besonders diese Ergebnisse lassen auf eine inzwischen tief verinnerlichte systemkritische Haltung schließen, deren Quellen vor allem in den gegenwärtigen Erfahrungen dieser jungen Frauen und Männer liegen, aber vermutlich auch weit in ihre zu DDR-Zeiten erfahrene, nachhaltig wirkende Sozialisation zurückreichen.
8. Die anwachsende Kritik des größten Teils der Panelmitglieder an ihrem gegenwärtigen gesellschaftlichen Umfeld geht zeitgleich mit teilweise überraschenden Entwicklungen anderer politischer Einstellungen einher. Sie äußert sich insbesondere im Identitätswandel vom DDR-Bürger zum Bundesbürger, der sich als ein äußerst langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang erweist. Bei den meisten dieser 34-Jährigen ist ziemlich konstant eine “Doppelidentität” festzustellen: Sie fühlen sich als Bundesbürger, ohne jedoch ihre Verbundenheit mit der DDR aufgegeben zu haben. Selten zuvor gab es eine derart breite emotionale Bindung an die DDR, die dazu von Jahr zu Jahr zugenommen hat!
Absehbar ist, dass beim Jahrgang ’73 Ost die Herausbildung einer von “Resten” der DDR-Verbundenheit freien staatsbürgerlichen Identifikation mit der Bundesrepublik noch längere Zeit dauern wird, wenn sie überhaupt je zustande kommt. Dagegen spricht auch, dass die politische Identifikation mit der Bundesrepublik sehr schwach ausgeprägt ist mit negativer Tendenz.
9. Beim Systemvergleich DDR – heutige Bundesrepublik schneidet die DDR in sozialer Hinsicht nicht schlechter, sondern von Jahr zu Jahr besser ab – eine nach dem mittlerweile fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Untergang eines Landes vermutlich historisch einzigartige Erscheinung. Das gilt nachweislich in Bezug auf die soziale Sicherheit, die Betreuung der Kinder, das Verhältnis der Menschen untereinander, die Förderung der Familie, den Schutz gegenüber Kriminalität, die Schulbildung, die soziale Gerechtigkeit. Das sind offensichtlich u. a. jene Gebiete des Lebens, auf denen bei den 34-Jährigen nach wie vor positive Erinnerungen an die DDR überwiegen und denen massive Bindekräfte innewohnen. Mit hoher Konstanz halten sie mehrheitlich an der Auffassung fest, dass die DDR sowohl gute als auch schlechte Seiten hatte. Dabei wird die DDR um so positiver beurteilt, je negativer die heutigen Erfahrungen der jungen Leute mit den Folgen des Systemwechsels und der Vereinigung sind.
Diese positiven Erinnerungen stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit ihren früheren politischen Bindungen, bedeuten keine “ideologische Verklärung” der DDR.
Zahlreiche TeilnehmerInnen halten in ihren Notizen an der Kritik fest, dass es ein grundsätzlicher Fehler der Vereinigungspolitik war und ist, faktisch keine der ihrer Meinung nach “guten Seiten” der DDR in das vereinte Deutschland zu übernehmen. 2007 spielten dabei die Kindereinrichtungen und die Schulbildung in der DDR eine besondere Rolle. Hartnäckig und häufig voller Wut wird gefragt, warum heute neu erfunden bzw. für neu ausgegeben wird, was es doch früher in bewährten Formen schon einmal gab.
10. Die ansteigende Distanz gegenüber dem jetzigen Gesellschaftssystem geht außerdem mit einer deutlich zunehmenden Tendenz der Identifikation mit sozialistischen Idealen einher. Die 21. Welle bestätigt: Sozialistisches Gedankengut ist trotz des fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Zusammenbruchs der DDR und des “Real existierenden Sozialismus” nicht aus dem Bewusstsein dieser jungen Ostdeutschen verschwunden. Dafür spricht auch, dass die überwiegende Mehrheit den Sozialismus für eine gute Idee hält, die bisher nur schlecht verwirklicht wurde. Die grundsätzliche Frage “Kapitalismus oder Sozialismus?” ist für sie offensichtlich noch nicht endgültig beantwortet. Dass die sozialistischen Gesellschaftsideale sich eines Tages durchsetzen werden, glauben gegenwärtig allerdings ebenso wenige wie das jetzige Gesellschaftsmodell für zukunftsfähig halten.
11. Die persönliche Zukunftszuversicht der 34-Jährigen – zugleich aussagekräftiges Kriterium dafür, wie sie die Zukunft der Gesellschaft beurteilen – hat nach der Wende und der deutschen Einheit nicht zugenommen, sondern erheblich abgenommen. Als ein sehr ernstes Signal ist zu werten, dass immer weniger der 34-Jährigen ihre Zukunft mit Ostdeutschland verbinden. Vor der Wende ging bei ihnen der Glaube an eine gesicherte Zukunft in der DDR nur unwesentlich zurück. Nach der Wende stürzte die individuelle Prognose, in Ostdeutschland eine gesicherte Zukunft zu haben, geradezu ab – Echo der realen wirtschaftlichen Situation in Ostdeutschland und der zunehmend pessimistischen Erwartungen für deren Entwicklung in absehbarer Zeit, insbesondere mit Blick auf den “Arbeitsmarkt”. Das hat zugleich beträchtliche Folgen für die Einstellung zur Wende, zur Wirtschaftsordnung und zur Legitimität des politischen System, aber auch für die Absichten der Panelmitglieder, im Osten zu bleiben oder in den Westen bzw. ins Ausland abzuwandern. Letzteres kündigt 2007 rund ein Drittel dieser jungen Erwachsenen an, die im Osten verblieben sind! Etwa ein Viertel dieser jungen Erwachsenen ist bereits abgewandert und hat sich dort integriert; fast alle wollen auch dort bleiben.
Auch die Zukunftszuversicht für die (künftigen) eigenen Kinder, ohnehin schwach entwickelt, ist in den letzten Jahren abgestürzt, eine Tendenz, die das Verhältnis der Panelmitglieder zur Gesellschaftsordnung zusätzlich negativ beeinflusst.
12. Die Zukunftszuversicht vieler Panelmitglieder, ihre Lebensgrundstimmung insgesamt wurde durch eine Vielzahl von Alltagsängsten beeinträchtigt, die aus den völlig veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgingen. Angst vor der Zukunft in dieser Gesellschaft wurde zu einem Grundgefühl auch dieser jungen Leute. Vor allem die psychisch stark belastenden existenziellen Ängste vor einer weiteren Verteuerung des Lebens, vor eigener Arbeitslosigkeit und Eintreten einer persönlichen Notlage (fast von der Wende an erfasst), vor den Auswirkungen von “Hartz IV” sowie vor weiteren Reformen der Regierung haben erheblichen Anteil an der bestehenden Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen System, an einer verbreiteten Angst vor dem heutigen Kapitalismus. Bei sehr vielen ist über Jahre hinweg ein “Stau” negativer Gefühle entstanden. Ein besonderes Alarmsignal ist, dass rund zwei Drittel der jungen Erwachsenen sich bereits im Alter von 34 Jahren von Armut im Alter bedroht fühlen!
13. Dank der spezifischen Anlage der Untersuchung als Längsschnittstudie bei einer identischen Population junger Leute über die Wende hinweg konnten aus der Vielfalt der realen individuellen Lebensumstände der Panelmitglieder einige wesentliche Einflussfaktoren nachgewiesen werden, die hinter den erwähnten Trends stehen. Sie lassen sich überwiegend auf den gemeinsamen Nenner der persönlichen Erfahrungen mit dem jetzigen Gesellschaftssystem bringen.
13.1 Entscheidender Einflussfaktor ist die Grunderfahrung Arbeitslosigkeit, die immer mehr dieser jungen Ostdeutschen machen müssen, bis 2007 bereits 71 % von ihnen gemacht haben! Der Anteil derer, die bereits mehrfach Arbeitslosigkeit erlebt haben und bei denen ihre ernsten negativen Auswirkungen besonders deutlich sichtbar werden, hat sich zwischen 1996 und 2007 von 17 % auf 40 % mehr als verdoppelt!
Die Arbeitslosigkeit, von führenden, volksverbundenen Politikern und Politikerinnen in der Bundesrepublik schon längst als “größte Wunde der Gesellschaft” erkannt (Bundespräsident Johannes Rau, 2004), oder als Situation, die ähnlich wirkt wie eine Haft (Regine Hildebrandt, 1992), geht wie ein Riss durch die gesamte Population.
Sie nährt Ängste gegenüber dem gegenwärtigen kapitalistisch verfassten System, bestärkt Zweifel an seiner Zukunftsfähigkeit und erhöht die Protestbereitschaft, hat aber auch erhebliche negative Folgen für die physische und psychische Gesundheit der TeilnehmerInnen.
Entscheidend ist, dass diese negativen Auswirkungen mit wachsender Gesamtdauer der Arbeitslosigkeit des einzelnen Betroffenen in vieler Hinsicht nachweislich kumulativ zunehmen, eine Tatsache, die nur aus langfristig erhobenen individuellen Daten, nicht jedoch aus den amtlichen Statistiken ablesbar ist. Besonders hier liegt auch der Neuigkeitswert unserer Ergebnisse. So geht mit zunehmender Dauer eigener Arbeitslosigkeit kontinuierlich die Zukunftszuversicht der jungen Erwachsenen zurück und steigt ihre Angst vor einer persönlichen Notlage stark an. Auch die Bejahung der Wende und selbst die Zahl der gewünschten Kinder nimmt signifikant ab! Diese latenten psychosozialen Folgen werden von der Politik völlig unterschätzt, klein geredet oder kaschiert.
Die übergroße, zunehmende Mehrheit meint, dass Arbeitslosigkeit ein typisches Merkmal des jetzigen Gesellschaftssystems ist, Angst vor der Zukunft macht, den Menschen ihr Selbstbewusstsein und ihre Lebensfreude nimmt, Verlust an individuellen Freiheiten bedeutet und die Menschen arm und krank macht. Nahezu alle lehnen es ab, sich mit Arbeitslosigkeit abzufinden. Bei weit mehr als der Hälfte von ihnen haben sich die langjährigen Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit inzwischen zu der Auffassung verdichtet, dass ohne Arbeit keine Freiheit existiert.
Dabei spielen keineswegs nur die direkten, persönlichen Erfahrungen eine Rolle, sondern auch die indirekten Erfahrungen im sozialen Nahbereich (Lebenspartner/Eltern/Geschwister/enge Freunde), sowie die Wahrnehmung der vielschichtigen negativen Folgen einer weiter zunehmenden kollektiven Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland. Auch diese Wirkungen werden viel zu gering eingeschätzt. Hinzu kommt bei vielen TeilnehmerInnen die geringe Sicherheit ihres Arbeitsplatzes, die in ihren psychischen Auswirkungen denen von erfahrener Arbeitslosigkeit nachweislich faktisch gleichzusetzen ist.
Weiter stellte sich heraus, dass nur wenige Panelmitglieder die deklarierte Demokratie tatsächlich erleben, ein großer Teil die verkündete Chancen- bzw. Verteilungsgerechtigkeit vermisst und noch immer die Erfahrung machen muss, von vielen Westdeutschen als Deutscher zweiter Klasse behandelt zu werden.
13.2 Die in der DDR erfahrene Sozialisation der 34-Jährigen hat bis in die Gegenwart nachweisbare Langzeitwirkungen. Das betrifft vor allem die damaligen Alltagserfahrungen in sozialer Hinsicht, insbesondere die als Kind oder Jugendlicher selbst erlebte soziale Sicherheit. Aber auch die damalige politische Sozialisation ist nicht wirkungslos geblieben. Das äußert sich in besonderem Maße in einer kontinuierlich zunehmenden Identifikation mit sozialistischem Gedankengut, eines der wichtigsten Untersuchungsergebnisse, sowohl in sozialisationstheoretischer als auch in praktisch-politischer Hinsicht. Langzeitwirkungen früherer politischer Bindungen treten insbesondere bei denen hervor, die gegenwärtig überwiegend negative Erfahrungen mit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem machen.
Fazit
Die bis 2007 vorliegenden Trends führen alles in allem zu der Feststellung, dass der Zeitraum von fast zwei Jahrzehnten nicht ausgereicht hat, um einen nennenswerten Teil der jetzt 34-Jährigen politisch für das jetzige Gesellschaftssystem und seine Werte, Perspektiven und Verheißungen einzunehmen. Wesentlich ist dabei: Sie haben sich diesem System gegenüber nicht etwa “entfremdet”, sondern stehen ihm faktisch schon von der Wendezeit an mehrheitlich skeptisch oder ablehnend gegenüber, Ergebnis ihrer damaligen unmittelbaren, häufig traumatischen Erfahrungen mit der Politik der “Schöpferischen Zerstörung” im Osten. Damit wurden bei einem beträchtlichen Teil von ihnen anfängliche positive Erwartungen in Frage gestellt oder diskreditiert. Diese kritische Haltung verstärkte sich bereits am Ende der Regierungszeit von Schwarz-Gelb, den kurzfristig wachsenden Hoffnungen nach dem Regierungswechsel 1998 zu Rot-Grün folgte ein noch stärkerer Absturz als zuvor, der sich auch nach den jüngsten Bundestagswahlen 2005 fortsetzt.
Das äußert sich besonders augenfällig in der signifikant zurückgehenden Bejahung der Wende, dem bisher folgenreichsten politischen Ereignis im Leben dieser jungen Ostdeutschen, nachweislich vor allem hervorgerufen durch die stark gestiegene persönliche Betroffenheit von Arbeitslosigkeit. Sie hat maßgeblich zu einer “Entzauberung” der Verheißungen des Kapitalismus beigetragen. Die große Mehrheit der 34-Jährigen will das jetzige System wieder loswerden! Das betrifft in besonderem Maße die jungen Frauen, die der jetzigen Gesellschaft von Anfang an noch kritischer gegenüberstehen als die jungen Männer.
Abgesehen von den angeführten inhaltlichen Trends und Zusammenhängen verstehen wir diese Ergebnisse auch als eine Art Plädoyer für den verstärkten Einsatz von Längsschnittstudien in der Forschung. Dazu ist es heute noch nicht zu spät, stehen doch mittel – und langfristig gesehen weitere gesellschaftliche Veränderungsprozesse an, für deren Analyse und darauf aufbauender Prognose diese prozessorientiert Art sozialwissenschaftlicher Untersuchung der “Königsweg” ist und bleibt. Zitat Längsschnittstudie
Die flächendeckende und über den Anschluss der DDR an die BRD eröffneten Prozesse kapitalistischer Landnahme lassen sich als großflächige Enteignung der DDR-Bevölkerung beschreiben, die von teils korrupten und straffälligen Politiker*innen vollzogen wurde: Viele von ihnen machten als sogenannte ‚Westimporte‘ aus den alten Bundesländern ‚rüber‘ und führten sich in diesem Sinne wie Kolonisator*innen auf. Ob es eine Kolonialisierung Ostdeutschlands gegeben hat und inwiefern sich die Ost-Deutschland-Werdung als Kolonialisierung beschreiben lässt, das ist mein Erkenntnisinteresse. Eine Feststellung lautet: Die politische Neusortierungsphase und der radikale Umbau des DDR-Staatsapparates sorgte für eine politische Leerstelle, die von findigen Investor*innen ausgenutzt wurde. Angesichts des Mantras der ‚blühenden Landschaften‘ war dies das Einfallstor für zahlreiche bauliche Großprojekte, die vielerorts zur Überforderung der politischen Lenkung führte. Durch eigens geschaffene ‚Beschleunigungsgesetze‘ sollten die Marktwünsche dieser Investor*innen erfüllt werden. Der Durchmarsch des Neoliberalismus hat somit insbesondere im heutigen Ostdeutschland eine spezifisch eigene Geschichte. Diese Geschichte gilt es zu befragen mit Blick auf den Rechtsruck, die immer wieder geführte Debatte um die politische Situation in den neuen Bundesländern und beim Nachdenken darüber, wie es zur Herstellung der heutigen bundesdeutschen ‚Normalität‘ kommen konnte.
Neben dem im Jahr 2015 vollzogenen 25-jährigen Jubiläum des Anschlusses der DDR an die BRD darf ein weiteres Jubiläum nicht in Vergessenheit geraten: 1995 veröffentlichten zwei Politikwissenschaftler von der Humboldt-Universität zu Berlin den Sammelband Kolonialisierung der DDR – Kritische Analysen und Alternativen des Einigungsprozesses. Im Angesicht der Abwicklung der gesamten DDR riefen Wolfgang Dümcke und Fritz Vilmar (1996) die Frage auf, ob die Transformation der DDR als Kolonialisierungsprozess gedeutet werden könnte.
Zwar ist diese Frage in den vergangenen zwanzig Jahren vom gesellschaftspolitischen Radar weitgehend verschwunden. Doch eine Beschäftigung mit ihr ist noch immer aktuell: Einerseits ist der zugrunde liegende gesellschaftspolitische Prozess von Dauer. Andererseits erfährt gerade dieser Prozess im Zuge der EU-Austeritätspolitik zur Krisenbewältigung seit 2009 eine neue Konjunktur – im wahrsten Sinne des Wortes.1 An dieser Stelle möchte ich verschiedene Gedanken darlegen, die erstens jene Kolonialisierungsthese über die DDR aufgreift, zweitens diese mit Beobachtungen über die sozialen Auswirkungen des Ausverkaufs der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen der DDR seit 1990 ergänzen sowie drittens eine postkoloniale Perspektive auf die soziale Wirklichkeit im gesellschaftlich abgespaltenen ‚Protektorat Ostdeutschland‘ skizzieren.
Noch 1998 formulierte der Sozialwissenschaftler Dr. Andrej Holm in einem Artikel im Magazin telegraph die Kolonialisierungsthese angesichts der Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft in Anlehnung an die damals aktuelle Kolonialisierungsdebatte unter Politikwissenschaftler*innen. In nicht einmal vier Jahren habe sich ein umfassender Rollback der Eigentumsverhältnisse in Ostdeutschland vollzogen: Über 90% der volkseigenen Betriebe wurden an private Besitzer*innen übereignet oder in die Liquidation geschickt, schrieb Holm 1998. Entscheidend für diese schnelle Privatisierung sei die Zerstückelung der Kombinate gewesen. Holm verweist zudem darauf, dass es erstaunlich gewesen sei, wie wenig sich insbesondere die gesellschaftliche Linke mit dieser Tatsache auseinandersetzte. Schließlich sei es doch insbesondere aus Perspektive der gesellschaftlichen Linken folgerichtig, als einer Lobby für die Unterdrückten diese Entwicklung zum Ausgangspunkt gemeinsamer Kämpfe zu machen – was damals aber nicht passiert sei.
Der Kernpunkt seiner Kolonialisierungsbetrachtungen beinhaltet denn auch die Antwort auf die Frage, warum dieser Diskurs verstummte: „Machtpolitisch zielte die Arbeit der Treuhand auf die Unterordnung der ostdeutschen Bevölkerung unter das zunehmend neoliberale Gesellschaftsmodell der BRD und die rasche Beseitigung von allen Strukturen und Spuren der DDR auf wirtschaftlichem Gebiet. Ordnungspolitisch setzte sie auf Marktdogmatismus ohne Anpassungsperiode und den völligen Umbau der Eigentumsformen. In diesem Sinne war die Treuhandanstalt Instrument und Vollstrecker einer auf Annexion zielenden Regierungspolitik.“ (Holm 1998)
Räumliche Materialisierung der Kolonialisierung Ostdeutschlands
Die Bodenprivatisierung in Ostdeutschland ab 1990 – in deren Folge beispielsweise die rot-rote Landesregierung in Brandenburg die eigenen Seen wieder zurückkaufen musste, um sie öffentlich zu halten – verschleuderte nicht nur Gemeineigentum. Hier wurde die Demokratische Bodenreform von 1945-49, welche die Aneignung von Produktionsmitteln und die Kollektivierung dieser in Volkseigentum zum Ziel hatte, als Ausgangsvoraussetzung dessen, was die DDR hat werden sollen, in ihr Gegenteil verkehrt. Das ist Grund genug, um sich diese identitätsstiftende Maßnahme unserer jüngsten Geschichte genau vor Augen zu führen.
Nach wie vor verkauft die Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) ostdeutschen Boden, Wälder und Seen. Die BVVG wurde als Tochtergesellschaft der Treuhand zur Verwaltung und Verwertung ostdeutschen Bodens, einschließlich der Seen und Wälder, gegründet. Schließlich fragte die Böll-Stiftung im Jahr 2014, ob es „Landgrabbing in Brandenburg“ gäbe (Heinrich-Böll-Stiftung 2014). Im Frühjahr 2015 wurde die Diskussion mit einer aktuellen Stunde zum Thema „Bodenspekulation begrenzen und regionale Landwirtschaft fördern“ im Landtag Brandenburg eingeläutet (Landtag Brandenburg 2015). Das vorläufige Ergebnis: Die BVVG ist eine Bundesbehörde und kann nicht durch die Landesregierung reformiert oder ‚rausgeworfen‘ werden.
Wer hätte Mitte der neunziger Jahre damit rechnen können, dass irgendwann die weltweite Finanzkrise das Geld von Anleger*innen und Spekulant*innen ausgerechnet in das von Abwanderung, Alterung und Arbeitslosigkeit geprägte ostdeutsche Steppenland zieht und damit so viel Boden bei der BVVG nachgefragt wird, mit der Folge, dass die bundesdeutschen Bodenmarktwerte steigen?
Den politisch Verantwortlichen ist bereits 1992 klar gewesen, dass die Bodenprivatisierung behutsamer vonstattengehen müsste, als die Stilllegung der ostdeutschen Industrielandschaften durch die Treuhandanstalt zuvor. Nicht ohne Grund ist die Privatisierung der Restflächen noch bis 2025 avisiert. Dokumente belegen, dass den Gründer*innen der BVVG damals bewusst war, dass auch der (zu begründende bundesdeutsche) Bodenmarkt eine Überflutung mit riesigen Flächenkontingenten aus dem Volkseigentum ehemaliger Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) und Volkseigener Betriebe (VEG) nicht aushalten würde, ohne die westdeutschen Bäuer*innen und Flächenbesitzer*innen in finanzielle Bedrängnis zu bringen und deren Grundeigentum zu entwerten. Angebot und Nachfrage mussten entsprechend reguliert werden und sollten häppchenweise und über mehrere Jahrzehnte verteilt vergeben werden (Münch / Reinhard 2002).
Die Überführung des ostdeutschen Bodens bestand aber nicht einzig im Ausverkauf der Flächen. Allen voran die Wirtschaftsförderpolitik ab 1990, die Strukturpolitik, die Rolle der kommunalen Planungsbehörden in den neuen Ländern sowie beteiligte privatwirtschaftliche Akteure haben daran eine gewichtige Aktie. So wurden Planungsverfahren beschleunigt, um die Versprechen von „blühenden Landschaften“ des Bundeskanzlers Helmut Kohl Wirklichkeit werden zu lassen, wie Karin Lenhart (2001) in ihrem Buch Berliner Metropoly anschaulich vor Augen führt. Es wurden sogenannte ‚Reparationsgesetze‘ geschaffen, also Anschlussregelungen und Sondergesetze, die DDR-Recht an BRD-Recht angliedern sollten. Insbesondere das Vermögensrecht erfuhr unzählige Ausnahme- und Sonderregelungen und hat in zynischer Weise einen Unterhaltungswert (siehe Dahn / Erdmann 1994). Deren Inhalt und Struktur – sozusagen als ein Artefakt der Wiedervereinigung – legen Zeugnis über den Werdegang der Überführung der DDR in die Marktwirtschaft der BRD ab.
Die ‚Beschleunigungsgesetze‘ wie beispielsweise das Investitionsvorranggesetz sorgten dafür, dass investorenfreundlich Politik gemacht werden konnte, indem wirtschaftspolitisch Fakten geschaffen werden konnten. So geschah es, dass Boden, für den die Restitutionsansprüche nach 1990 noch nicht geklärt waren, an Investor*innen verkauft werden konnte und etwaige Erb*innen eine Entschädigung erhielten. Aber auch das Prinzip der Bürger*innenbeteiligung an Planungsverfahren wurde unter dem Mantra des schnellen ‚Wiederaufbaus‘ ausgehebelt. Im Ergebnis blühten vor allem an ostdeutschen Autobahnkreuzen Logistiklandschaften mit schlecht bezahlten Jobs. Diese Gesetze wurden nicht selten von westdeutschen Beamt*innen in ostdeutschen Behörden erdacht und angeordnet, die – im Westen als Politiknachwuchs oftmals ausrangiert – nach Ostdeutschland gekommen waren, um ‚Ordnung‘ zu schaffen (Czada / Lehmbruch 1998).
Doch wie lässt sich die von Holm und anderen als Annexion bezeichnete Politik ein Vierteljahrhundert später in Praxis und Theorie nachvollziehen? Welche Spuren hat sie hinterlassen? Als ich im Jahr 2014 der Präsentation des Buches Jetzt reden wir (Luft 2013) – eine Veröffentlichung von Biografien von Generaldirektor*innen verschiedener DDR-Kombinate – beiwohnte, stellte ich zweierlei fest: Erstens, in einem Raum saßen versammelt etliche ehemalige Chef*innen der größten DDR-Kombinate und die bundesdeutsche Öffentlichkeit nahm davon keine Notiz. Man stelle sich einmal vor, in diesem Raum säßen alle Manager von VW, AEG, Siemens und MAN. Zweitens, verschiedene Generaldirektor*innen erzählten ihre Erfolgsgeschichte, ohne sie als Erfolgsgeschichte zu erzählen: Wie sie in die Betriebe gekommen waren und dort stückweise mehr Verantwortung haben übernehmen mussten, bis zu dem Punkt, an dem sie für den Exporthandel der DDR wesentliche Anteile abzuliefern im Stande gewesen waren. Obwohl diese Erzählungen in dem System, in dem sie zuvor existierten, Erfolgsgeschichten waren, wurden sie heutzutage nicht als solche erzählt. Mir fiel auf, wie hochrangige Akteur*innen nach 25 Jahren noch immer sich selbst in Erklärungsnot versetzten, um ihre eigene Geschichte zu rechtfertigen und sie nicht einfach nur zu erzählen. Ohne Zweifel, viele Menschen in diesem Raum waren nicht in der Lage, als selbstbewusste Sprecher*innen aufzutreten, als hätte es ihnen die Sprache verschlagen.
Postkoloniale Perspektiven auf die Kolonialisierung Ostdeutschlands
Dazu ein Exkurs: Analysen aus der postkolonialen Theorie haben neben den Genderstudies einen neuen interdisziplinären Forschungsansatz geprägt. Die Frage, wie sich die jahrhundertelange Kolonialisierungspolitik auch nach ihrem offiziell erklärten Ende stetig reproduziert, wird in immer mehr Fachdisziplinen integriert. Provincializing Europe lautet das Buch des mit postkolonialer Theorie befassten Forschers Dipesh Chakrabarty (2000), in dem er eine postkoloniale Perspektive für den Umgang mit der Kolonialgeschichte Indiens entwirft. Es ist eine Perspektive, die sich von der europäischen Sicht auf dieses vormals kolonialisierte Land emanzipiert und importierte Normen und Wertvorstellungen so in ein (koloniales) Verhältnis setzt.
Die Forscherin Chandra Talpade Mohanty arbeitet zu postkolonialer Theorie aus feministischer Perspektive. In ihrem Werk Under Western Eyes (1984) weist sie auf die Zweiklassenperspektive von Feministinnen gegenüber ihresgleichen aus Ländern des globalen Südens hin. Mohanty bearbeitet darin die Frage, welche Aufmerksamkeit feministischen Theoretikerinnen aus den ‚Ländern des globalen Südens‘ im Diskurs über die gesellschaftliche Stellung der Frau durch vermeintlich emanzipierte Westlerinnen zukommt. Ihre postkoloniale These nimmt die von einem eurozentrischen Standpunkt aus konstruierte Diskurshegemonie – und in dieser Logik die intellektuelle Überlegenheit – in den Blick: Es ist die Konstruktion eines vermeintlich fortschrittlichen Standpunktes, indem dieser von Frauen aus ‚Ländern des globalen Nordens‘ – wenn auch unbewusst – gleichsam die ‚gemeinsame‘ Kolonialisierungsgeschichte widerspiegelt und immer weiter fortschreibt.
Mohanty und Chakrabarty argumentieren vor allem über Sprecher*innenpositionen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs. Beiden geht es um die Analyse der Sprache und die Reflexion der eigenen Sprecher*innenposition im gesellschaftlichen Diskurs. Chakrabarty etwa analysiert, dass es durch den Modernisierungsprozess im Zuge der westlichen Globalisierung zu einer inneren Spaltung der Subjekte kam, weil diese sich einerseits an den Traditionen orientierten und andererseits nach dem westlichen Ideal der Kolonisier er*innen strebten. Daraus erwachse die Unfähigkeit, für sich als emanzipiertes Subjekt und als – dem Empfinden nach – gleichwertige/n Teilnehmer*in eines Diskurses zu sprechen.
Der Gedanke, dass es eine spezifische Form der „Kolonialität von Macht“ gibt (Quijano 2016), kann einen Analysezugang bieten, um die Zusammenhänge zwischen der Austeritätspolitik gestern und heute zu verstehen. Darüber hinaus ermöglicht er, nach den historischen Zusammenhängen und Kontinuitäten sowie den geistigen Grundlagen solch ‚kolonialer‘ Regierungsformen zu fragen (Ha 2014). Die Kolonialität von Macht als Eigenschaft von Herrschaft kann die Persistenz von Rassismen und das Gelten eurozentrischer Logik – trotz der antikolonialen Gegenwehr weltweit – erklären. Vereinfacht gesagt: Die etablierten hegemonialen Machtstrukturen sind gleichzeitig Ergebnis und Voraussetzung immer neuer Kolonialisierungen weltweit – wie in einem Teufelskreis.
Eine postkoloniale Analyseperspektive zur Dekolonialisierung Ostdeutschlands
Dieses Bild ließe sich – so meine These – auch auf die Konstruktion des Subjektes ‚Ossi‘ anwenden, wenn etwa Ostdeutschland nach einem Vierteljahrhundert nicht nur als ‚das Andere‘ gegenüber Westdeutschland objektiviert wird, sondern auch als ‚das Rückständige‘. Diese Zuschreibung gilt im Sinne eines Klassifikationssystems 25 Jahre nach der Wiedervereinigung als manifest.
Indizien für eine Kolonialisierung Ostdeutschlands materialisieren sich unterschiedlich: Angefangen bei der manifesten Arbeitslosigkeit im Osten, auch in Folge der Deindustrialisierung, über die spezifischen Ost-Löhne bis hin zum Thema Landgrabbing in Ostdeutschland, resultierend durch steigende Bodenpreise durch den Ausverkauf landwirtschaftlicher Nutzflächen an internationale Konzerne. Insbesondere dieses Thema markiert die Verbindung einer postkolonialen Perspektive mit der westdeutschen Austeritätspolitik nach 1990, wonach Sachzwänge die Politik vorgeben, Sparzwänge inzwischen ganze Kontinente regieren und in Griechenland sogar Inseln verkauft werden sollen, um Staatshaushalte zu konsolidieren – dabei handelt es sich um ein globalisiertes Modell einer treuhänderischen Verwertung nach dem Stil eines Carsten Rohwedder, dem ersten Chef der Treuhandgesellschaft zur Abwicklung der DDR. Der Kampf um den Brandenburger Boden ist das Ende einer Geschichte, die in Griechenland gerade erst begonnen hat (Adolphi 2013).
Die Landnahme als Prozess der Inwertsetzung formals nicht kommodifizierter Güter und Gebiete wurde von Rosa Luxemburg als Form der Kolonisierung und damit als Krisenbewältigungsstrategie im Kapitalismus beschrieben (Luxemburg 1981). Die Inwertsetzung des Bodens in Ostdeutschland nach 1990 sorgte mancherorts für 500%ige Preissteigerungen, während an diesen Gewinnen ‚die Ossis‘ (fast) nie teilhatten. Diese Form der Landnahme durch Landspekulation war staatlich verordnet und privatwirtschaftlich durch die BVVG als ‚Staats-GmbH‘ ausgeführt.
Im Anschluss an Quijano entwirft Sebastian Garbe den Begriff der „epistemischen Gewalt“ der manifesten kolonialen Machtstrukturen. Hierbei handelt es sich um eine Art erkenntnismäßiger Gewalt des Eurozentrismus, die in der gewaltsamen Durchsetzung einer für die kolonisierten Bevölkerungen fremden Perspektive mündet. Es ist eine Art äußerer Gewalt, die Menschen veranlasse, die Welt nicht mit eigenen Augen erkennen zu können (Garbe 2013). So gesehen ist es genau dieser Kampf um gültiges oder ungültiges Wissen, um die Legitimität der eigenen Sichtweise auf die Welt, die sich in Jetzt reden wir! als Kontra zu jener fremdbestimmten epistemischen Gewalt artikuliert.
Die Sprachlosigkeit der früheren DDR-Eliten ist im Kontext der jüngsten Enteignungsepoche nachvollziehbar. Die hier vertretene These lautet, dass die Sprachlosigkeit früherer DDR-Eliten seit der Angliederung der DDR an die BRD Ausdruck und Ergebnis einer Kolonialisierungspraxis ist. Diese formte eine heute als fast normal geltende ‚ostdeutsche‘ Lebenswelt, wo Löhne und Rentenerwartungen wie selbstverständlich niedriger als in Westdeutschland sind und wo Altersarmut und Arbeitslosigkeit nur mit Abwanderung bekämpft werden kann. Zu dieser ‚ostdeutschen Normalität‘ gehört auch die Verbreitung neofaschistischer Einstellungen. Es ist diese Normalität, die sich in den vergangenen 25 Jahren systematisch etablierte und die sich in den 25 letzten Jahresberichten zum Stand der deutschen Einheit der Bundesregierung in Schriftform nachempfinden lässt. Die Beendigung dieser ostdeutschen Normalität setzt eine Analyseperspektive voraus, die eine Dekolonialisierung Ostdeutschlands erst hervorzubringen vermag. Gerade deshalb ist die Aufarbeitung der Zusammenhänge von Kolonialisierungspraxis und dem spezifischen kolonialen Erbe der deutsch-deutschen Wiedervereinigung so wichtig. 25 Jahre nach dem Ende der DDR steht sie aber erst ganz am Anfang.
Nachwort:
Mit den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2016 konstituierte sich eine rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin. Mit ihr wurde das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine linke Stadtentwicklungssenatorin ernannt, Katrin Lompscher. Sie ernannte den renommierten Stadtforscher und Mietenaktivisten Dr. Andrej Holm zum Staatssekretär. Holm trat im Januar 2017 als Staatssekretär zurück, nachdem eine dreimonatige Diskussion aufgrund des Vorwurfs seiner verschwiegenen Stasi-Vergangenheit gegen ihn dazu führte, dass der Rückhalt innerhalb der Regierung und der Regierungskoalition schwand. Es ist ein Zufall der Geschichte, dass dieser von mir 2014 und 2015 bearbeitete und bis dato unveröffentlichte Artikel sich bereits auf Holms Beiträge aus dem Magazin Telegraph stützte, in welchem er als inzwischen allseits bekannter Bürgerbewegter in den neunziger Jahren mitwirkte und welches während der Debatte um Holm zu neuer Bekanntheit gelangte, weil bekannte Autor*innen und Bürgerrechtler*innen des Telegraph einen viel beachteten Debattenbeitrag zur Auseinandersetzung um die Widersprüche in der Betrachtung der Stasivergangenheit von in der DDR sozialisierten Menschen beisteuerten.2 Dass es trotz Holms beredten Diskussionsbeiträgen und Debattenbereitschaft nicht gelang, die Widersprüchlichkeit der DDR und einer politisch überlagerten und bis heute politisch festgelegten historischen Rezeption und der sich daraus ergebenden Probleme für Legitimitätsfragen aller Art aufzuzeigen und als Problembewusstsein zu verankern, ist ebenfalls ein herber Rückschlag. Dass Andrej Holms ‚Durchhalten‘ dieser (medialen) Konfrontationen und Härten auch als Ausdruck eines Veränderungswillens gegenüber dieser politischen Festlegungen zu lesen ist, dass es ihm auch um Gerechtigkeit in der DDR-Aufarbeitung und Geschichtspolitik geht, das rechne ich ihm sehr hoch an. Dieser Beitrag ist somit – quasi posthum – Katrin Lompscher und Andrej Holm, die sich drei Monate lang in der ersten Reihe dem Gegenwind gestellt haben, gewidmet. Ich widme ihn auch meiner Mutter, Margrit Gennburg, die mich gelehrt hat, die sozialen und politischen Härten der Wiedervereinigung als systemimmanent zu begreifen, sowie den Kapitalismus als System zu analysieren und gleichzeitig für eine gerechte und menschliche Gesellschaft zu streiten.
Anmerkungen
1 Der Wissenschaftler Wolfram Adolphi beschrieb die Parallelen der Austeritätspolitik von Finanzminister Wolfgang Schäuble in Griechenland nach 2009 und in Ostdeutschland nach 1989 in einem Artikel für die Tageszeitung Neues Deutschland: Dolphi, Wolfram: „Zentrum gegen Peripherie“ Neues Deutschland 25.05.2013, https://www.neues-deutschland.de/artikel/822396.zentrum-gegen-peripherie.html?sstr=wolfram|adolphi|treuhand (letzter Zugriff: 04.06.2017).
Adolphi, Wolfram: „DDR-Anschluss und EU-Griechenland-Politik im Vergleich“, in: Das Argument – Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften 55 (2), 2013, S. 95-106.
Chakrabarty, Dipesh: ProvincializingEurope: Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton: University of Princeton Press 2000.
Czada, Roland / Gerhard Lehmbruch: Transformationspfade in Ostdeutschland. Beiträge zur sektoralen Vereinigungspolitik. Frankfurt: Campus Verlag 1998, http://www.mpifg.de/pu/mpifg_book/mpifg_bd_32.pdf (letzter Zugriff: 04.06.2017).
Dahn, Daniela / Daniela Erdmann: Wir bleiben hier, oder, Wem gehört der Osten. Vom Kampf um Häuser und Wohnungen in den neuen Bundesländern. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1994.
Du?mcke, Wolfgang / Fritz Vilmar: Kolonialisierung der DDR – Kritische Analysen und Alternativen des Einigungsprozesses. 3. Ausg. Mu?nster: Agenda-Verlag 1996.
Mohanty, Chandra Talpade: „Under Western Eyes: Feminist Scholarship and Colonial Discourses“, in: boundary 2 12 (3), 1984, S. 333-358.
Münch, Rainer / Reinhard Bauerschmidt (Hgg.): Land in Sicht. Eine Chronik der Privatisierung des ehemals volkseigenen Vermögens der Land- und Forstwirtschaft in den fünf neuen Bundesländern. Berlin: BVVG 2002.
Quijano, Aníbal: Kolonialität der Macht, Eurozentrismus und Lateinamerika, Aus dem Spanischen von Alke Jenss und Stefan Pimmer, Wien, Berlin: Verlag Turia + Kant 2016.
“Menschen aus Westdeutschland hatten höhere Narzissmuswerte, Menschen aus Ostdeutschland hingegen hatten ein gesünderes Selbstwertgefühl.”
“Eine aktuelle Studie deutscher Psychologen zeigt: Wer zur Wende im Westen zur Schule ging, ist tendenziell selbstverliebter. Die heute 36 bis 49 Jahre alten Ostdeutschen hingegen haben oft ein gesünderes Selbstwertgefühl.”
“Zum Klischee des Besserwessis gehört sein Hang zu Statussymbolen: Mit seinem Mercedes rollt er in die Nachwende-Innenstädte, protzt dort mit seiner goldenen Armbanduhr, dem Satellitentelefon, macht sich ständig wichtig und hat für die meisten Ostmenschen, die er trifft, nur Verachtung übrig.
Ein Charakter, der diesem Stereotyp entspricht, hat oft noch eine andere Seite: Hinter der Fassade offenbart sich der Angeber in seinem Inneren als tief verunsicherter Mensch. Was ist er denn wert, wenn ihm keiner seine Behauptungen abkauft, wenn sich niemand beeindruckt zeigt vom Prunk und dem großspurigen Auftritt? Im klinischen Sinne ist der Klischee-Besserwessi ein Narzisst, ein Mensch, dessen Selbstwertgefühl kaputt ist. Eigentlich mag er sich nicht und muss sich deshalb vor anderen ständig produzieren, um sich selbst gut finden zu können. Und wenn das nicht klappt, ist er am Boden zerstört.
Dass im Stereotyp des Besserwessis ein Fünkchen Wahrheit steckt, zeigt eine neue Studie deutscher Psychologen, die jetzt im Fachmagazin Plos One erschienen ist.”
“Narzissmus ist im Wesentlichen ein Versuch, seinen Selbstwert hochzuhalten. Wenn das klappt, dann nennt man das grandios, und wenn das nicht klappt, nennt man das vulnerabel. Jemand mit einem grandiosen Narzissmus hat ein sehr positives Bild von sich selber, eine Selbstüberschätzung, eine Abwertung gegenüber anderen Menschen, hat Ideen von Erfolg, von Dingen, die er realisieren wird, von idealer Liebe.”
Eine aktuelle Studie deutscher Psychologen zeigt: Wer zur Wende im Westen zur Schule ging, ist tendenziell selbstverliebter. Die heute 36 bis 49 Jahre alten Ostdeutschen hingegen haben oft ein gesünderes Selbstwertgefühl.
von Clemens Haug
Teure Kleidung, luxuriöses Auto, schweizer Uhr: Wer sein Selbstwertgefühl mit Statussymbolen aufwerten muss, hat vielleicht Merkmale einer narzisstischen Störung.
Zum Klischee des Besserwessis gehört sein Hang zu Statussymbolen: Mit seinem Mercedes rollt er in die Nachwende-Innenstädte, protzt dort mit seiner goldenen Armbanduhr, dem Satellitentelefon, macht sich ständig wichtig und hat für die meisten Ostmenschen, die er trifft, nur Verachtung übrig.
Ein Charakter, der diesem Stereotyp entspricht, hat oft noch eine andere Seite: Hinter der Fassade offenbart sich der Angeber in seinem Inneren als tief verunsicherter Mensch. Was ist er denn wert, wenn ihm keiner seine Behauptungen abkauft, wenn sich niemand beeindruckt zeigt vom Prunk und dem großspurigen Auftritt? Im klinischen Sinne ist der Klischee-Besserwessi ein Narzisst, ein Mensch, dessen Selbstwertgefühl kaputt ist. Eigentlich mag er sich nicht und muss sich deshalb vor anderen ständig produzieren, um sich selbst gut finden zu können. Und wenn das nicht klappt, ist er am Boden zerstört.
Dass im Stereotyp des Besserwessis ein Fünkchen Wahrheit steckt, zeigt eine neue Studie deutscher Psychologen, die jetzt im Fachmagazin Plos One erschienen ist. Mit Hilfe eines Online-Fragebogens sammelte ein Team um Professor Stefan Röpke von der Berliner Universitätsklinik Charité die Daten von insgesamt 1025 Teilnehmern, die vordergründig Auskunft geben sollten zur Frage “Wie selbstbewusst sind die Deutschen”. Tatsächliches Ziel aber war zu messen, wie stark die Kultur einer Gesellschaft Narzissmus fördert. Und dabei zeigte sich: Menschen, die vor der Wende in der alten Bundesrepublik geboren wurden und zur Schule gingen, hatten höhere Narzissmuswerte als die gleichaltrigen Menschen aus der DDR.
Größter Unterschied bei 36- bis 49-Jährigen
Die Forscher hatten ihre Teilnehmer in sozialen Netzwerken geworben. Nach der Befragung wurden sie anhand der Daten in verschiedene Gruppen eingeteilt, etwa, ob sie in der DDR oder in der alten BRD geboren wurden, sagt Stefan Röpke. “Wir haben dann Alterskohorten gebildet. Die jüngste Kohorte waren diejenigen, die 1989 zum Mauerfall noch nicht geboren waren oder noch nicht zur Schule gingen. Die zweite Gruppe sind alle, die in der Schule waren, die also zwischen 6 und 18 Jahre alt waren. Die ältesten waren 18 Jahre und älter.”
Dann schauten die Forscher: Gibt es Zusammenhänge zwischen Geburtsort und Alter einerseits und Narzissmus andererseits. “In der jüngsten Kohorte, also bei Menschen, die heute maximal 35 Jahre alt sind, gab es keine Unterschiede hinsichtlich Selbstwert und Narzissmus. Bei denjenigen, die heute Ende 30 bis Ende 40 sind, waren hingegen die deutlichsten Unterschiede zu sehen.” Menschen aus Westdeutschland hatten höhere Narzissmuswerte, Menschen aus Ostdeutschland hingegen hatten ein gesünderes Selbstwertgefühl. Bei der dritten Gruppe, den heute über 50-Jährigen, waren die Werte für Narzissmus fast gleich. Die Teilnehmer aus Westdeutschland hatten nur in Bezug auf eine Skala des sogenannten grandiosen Narzissmus etwas höhere Werte.
Grandioser und verletzter Narzissmus
Um dieses Ergebnis besser zu verstehen, muss man zunächst die verschiedenen Formen von Narzissmus unterscheiden. Die psychologische Forschung spricht vom grandiosen und vom vulnerablen, also verletzlichen Narzissmus. Beide seien aber eigentlich zwei Seiten der gleichen Medaille, erklärt Röpke.
Narzissmus ist im Wesentlichen ein Versuch, seinen Selbstwert hochzuhalten. Wenn das klappt, dann nennt man das grandios, und wenn das nicht klappt, nennt man das vulnerabel. Jemand mit einem grandiosen Narzissmus hat ein sehr positives Bild von sich selber, eine Selbstüberschätzung, eine Abwertung gegenüber anderen Menschen, hat Ideen von Erfolg, von Dingen, die er realisieren wird, von idealer Liebe. Der vulnerable Narzissmus meint, dass die Menschen bei Rückschlägen, bei Entlassungen, bei Partnerschaftsproblemen so depressive Symptome haben, Schamgefühle haben, oft sehr starke Suizidgedanken haben und sich nichts wert fühlen.
Überschwängliches Lob für Einzelkinder fördert Narzissmus
Warum zeigten nun diejenigen, die in der alten Bundesrepublik zur Schule gingen, die höheren Narzissmuswerte? Warum verschwinden die Unterschiede zwischen beiden Gruppen später wieder? Genau können die Forscher das nicht sagen, weil sich die Ursachen an den Antworten auf die standardisierten Fragebögen nicht ablesen lassen. Sie haben aber verschiedene Vermutungen, die sich auf ältere Studien stützen. Wer etwa in seinen jungen Erwachsenenjahren in einer Gesellschaft lebt, die sich wirtschaftlich in einer Krise befindet, hat ein geringeres Risiko, narzisstisch zu werden. Anders gesagt scheint Armut Menschen weniger selbstbezogen zu machen.
Die Wendezeit war eine schwierige ökonomische Situation für die Menschen, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geboren wurden. Deshalb ist Narzissmus dort etwas geringer ausgeprägt gegenüber der besseren ökonomischen Situation auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik.
Ein anderer Faktor sei die Frage, ob man mit Geschwistern aufwächst. In der BRD sind ab den 1970ern mehr Kinder als Einzelkinder aufgewachsen, auch das kann narzisstische Eigenschaften verstärken. In der DDR waren die Familien dagegen größer. Und schließlich spielt auch Erziehung eine Rolle.
Wenn Ihr Kind drei Kreise auf ein Blatt malt und Sie sagen, ‘Mensch, das ist ja der zukünftige Picasso’, dann fördern Sie durch solches Verhalten Narzissmus. Wenn Sie sich dagegen so verhalten, dass Ihr Kind sie als fürsorglich und warmherzig wahrnimmt, dann fördern Sie eher den Selbstwert.
Die beiden letztgenannten Thesen würden auch erklären, warum es bei den ältesten Befragten nur wenig Unterschiede gibt: Bis Ende der 1960er waren die Familiengrößen und Erziehungsstile in Ost und West noch ähnlich, bevor die Unterschiede zwischen beiden Ländern größer wurden.
Nicht der Beste sein müssen – sondern sein Bestes beitragen
Letztlich kann auch die Schule eine große Rolle spielen, sagt Stefan Röpke.
Wenn sie 20 Kindern in einer Schulklasse vermitteln: ‘Sei in deinem Leben möglichst der Beste’, dann kann von den 20 nur einer der Beste sein und 19 sind halt ‘die Verlierer’. Das wirkt sich negativ auf das Selbstwertgefühl aus. Sei immer der beste ist nicht für jeden erreichbar. Wenn Sie den 20 Kindern hingegen sagen: ‘Leiste deinen besten Beitrag für die Gemeinschaft, schau wo dein Platz sein kann’, dann ist der Selbstwert deutlich weniger in Gefahr, weil man dabei nicht so leicht scheitern kann.
Der Gesellschaft wiederum gehe es deutlich besser, wenn es weniger Narzissmus gebe, sagt der Psychologe.
Der Kern vom Selbstwert ist: Ich bin von mir und meinen Leistungen überzeugt, ich mache, was ich gut kann. Ich kann mit Kritik umgehen. Ich überlege, was ist angemessen an der Kritik, bin offen für Veränderung. Narzissmus heißt, ich bin von mir überzeugt, dass ich eh schon alles kann und der Größte bin. Und ich werde mich immer so verhalten, dass meine Leistung möglichst maximal sichtbar ist. Nur wo andere auf mich schauen, werde ich viel tun, sobald keiner mehr hinschaut, mache ich gar nichts mehr. Mein Ziel ist mein eigener Erfolg und die anderen sind mir relativ egal. Wenn man die Wahl hat zwischen hohem Selbstwert und hohem Narzissmus, ist hoher Selbstwert sicher die bessere Wahl für die Gesellschaft.
Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 27. August 2019 um 12:14 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Allgemein abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.