In einer persönliche Stellungnahme übt SPD-Mitglied Matthias Strejc Kritik an der Thüringer SPD Landesdelegiertenkonferenz. Hier der komplette Wortlaut…Ich bin seit mittlerweile fast 20 Jahren in der SPD und zum ersten Mal schäme ich mich das Parteibuch meiner SPD zu besitzen. Hier geht es keineswegs um persönliche Befindlichkeiten, vielmehr um die Grundwerte der SPD, die heutige ihre Eigenen stark verletzt hat.
Unser Bundestagsmitglied Steffen-Claudio Lemme, der seit 8 Jahren im Deutschen Bundestag sitzt und eine spitzen Arbeit macht, wurde heute von der eigenen Partei abgestraft. Es ging heute auf der Landesdelegiertenkonferenz um die Besetzung der Landesliste zur Bundestagswahl 2017. Um zu verstehen, warum ich so maßlos enttäuscht bin, muss ich ein wenig ausholen.
2009 ist die Spitze der damaligen SPD Thüringen auf den Norden des Freistaats zugekommen und unseren Kyffhäuserkreis gebeten, ja fast schon gedrängt, keinen eigenen Kandidaten für den Bundestag zu nominieren, sondern den Platz für Herrn Lemme frei zu halten. Damals war Lemme Vorsitzender des DGB, kam aus Erfurt und man suchte für ihn einen Wahlkreis. Uns ist damals die Entscheidung sehr schwer gefallen, keinen eigenen Kandidaten aus dem Kyffhäuserkreis zu benennen. Nun gut, wir haben 2009 der SPD Thüringen ein Gefallen getan. Steffen Lemme zog in den Bundestag mit Listenplatz 3 der Landesliste ein.
Seitdem machte er eine hervorragende Arbeit, engagierte sich über das Maß hinaus für seinen Wahlkreis und des Unstrut-Hainich-Kreises, der ihm in der Betreuung zugewiesen wurde. Er war die gesamten 8 Jahre stets für alle Bürgerinnen und Bürger ein kompetenter Ansprechpartner, nahm noch so jede kleine Anfrage an und kümmerte sich um die Menschen. Im Bereich der Gesundheit engagierte er sich im Deutschen Bundestag enorm und seit vielen Jahren ist er Mitglied im wichtigsten Ausschuss überhaupt, den Haushaltsausschuss. Eine extrem wichtige Position und er sorgte mit seinem Engagement, Geschick und Können aber auch mit seinen Netzwerken dafür, dass weit über 100 Mio. Bundesmitteln in den Norden von Thüringen flossen.
Seine Arbeit wurde auch von der Thüringer SPD sehr geschätzt und 2013 bekam er erneut einen vorderen Listenplatz und zog erneut in den Deutschen Bundestag ein.
8 Jahre extremes Arbeitsaufkommen als Bundestagsmitglied, starke Vernetzung zu den Gewerkschaften, Sachkompetenz und vor allem vor Ort war er immer präsent. Im letzten Jahr übernahm er den Kreisvorsitz der SPD im Kyffhäuserkreis auch im Interesse der Thüringer SPD.
Doch all das, spielte heute und letzte Woche keine Rolle. Denn es galt etwas gut zu machen. Christoph Matschie, Mitglied des Thüringer Landtages, der eigentlich kaum mehr war genommen wurde, wollte man etwas Gutes tun. Er sollte sicher in den Bundestag und so empfahl selbst der Landesvorstand der SPD Thüringen, Christoph Matschie auf den sicheren 3. Listenplatz zu setzen und Steffen Lemme auf den fast aussichtslosen 5. Platz. Allein diese Empfehlung des Landesvorstandes war für mich keineswegs nachvollziehbar und man ignorierte die Erfolge und das Wirken von Steffen Lemme.
Heute nun die Delegiertenkonferenz und Steffen Lemme trat um den Listenplatz 3 gegen Matschie an. Im ersten Wahlgang erreichte er 95 Stimmen, Matschie nur 93 Stimmen. Da aber aufgrund der 2 Enthaltungen keiner die absolute Mehrheit erreichte, musste ein zweiter Wahlgang her. Und dann das kuriose, wo Parteifunktionäre ihre Schäfchen wieder einsammelten.
Im zweiten Wahlgang erreichte Lemme nur 90 Stimmen und Matschie 100, sodass er mit Listenplatz 3 sich auf Berlin freuen kann.
Für Herrn Lemme wird der Einzug extrem schwer, zumal er mit dem Eichsfeld einen tief schwarzen Landkreis in seinem Wahlkreis hat. Wie können Genossen, innerhalb von Minuten ihre Meinung ändern und mit einmal in das Matschie-Lager wechseln? Unglaublich und nicht nachvollziehbar.
Für uns hier oben im Norden bedeutet das zukünftig, dass wir die Lobby in Berlin über Steffen Lemme nicht mehr haben und wieder einmal der ländliche Raum abgehängt wird und die Thüringer Städte (Matschie-Jena) erneut gestärkt werden. Für Thüringen bedeutet dies, kein Thüringer Bundestagsabgeordneter mehr im Haushaltsausschuss und damit zukünftig wahrscheinlich viel weniger Bundesmittel als in den letzten Jahren.
Ein rabenschwarzer Tag für mich und ich schäme mich aktuell, SPD Mitglied zu sein, denn wenn Wirken und Schaffen und Engagement sowie Erfolge keine Rolle mehr spielen, stattdessen das ewig Gestrige, dann ist das nicht meine SPD.
Außer Frage stehen die vergangenen Erfolge von Christoph Matschie, doch wir leben in der Gegenwart und da hat sich Steffen Lemme in Berlin profiliert und Thüringen profitierte davon. Der Gewerkschafter Lemme wurde abgestraft und die SPD im Norden des Landes gleich mit. Unsere Gutmüdigkeit 2009, keinen eigenen Kandidaten zu stellen, sondern der Landes-SPD zu helfen wurde auch nicht belohnt bzw. das hat man in Erfurt schon wieder vergessen.
Auf Bundesebene hat die SPD es verstanden, einen Neubeginn zu wagen, die Thüringer SPD leider nicht. Denn die Vergangenheit und deren Erfolge sind Geschichte, es geht um das Jetzt und Hier und um die Zukunft. Und nicht um Erfolge und Verdienste von ehemaligen Parteifunktionären.
Trotz all des Frustes in mir und die tiefe Enttäuschung der Genossen auch im Landesvorstand werden mich dennoch nicht davon abhalten, für Steffen Lemme zu kämpfen und Klinken putzen gehen. Für Steffen Lemme und nicht für die Thüringer SPD.
Matthias Strejc, SPD-Mitglied, Bürgermeister Bad Frankenhausen/Zitat Kyffhäuser-Nachrichten
http://sondershausen.thueringer-allgemeine.de/web/sondershausen/startseite/detail/-/specific/Strejc-Niemals-wuerde-es-mich-in-die-Landes-oder-Bundespolitik-ziehen-1141770377
“Es gibt viele Genossen, die sehen die Sache so wie ich. Aber ich hatte auch Anrufe von Genossen, ich nenne keinen Namen, die empört darüber sind, dass ich mit meiner Meinung in die Öffentlichkeit gegangen bin. Von Nestbeschmutzung ist da die Rede und von der Schädigung des positiven Schulz-Effektes der Partei. Ich lasse mir doch nicht den Mund verbieten, wo leben wir denn, ich sage meine Meinung.” Thüringer Allgemeine