„Thüringer Heimatkundliche Blätter”, Weimar, November 1927
Strafen und Strafvollzug im 16. Jahrhundert
Von Gerichtsassessor Dr. Heinr. Seesemann, Weimar
Weit mehr als vor dem Weltkriege nimmt die gesamte Bevölkerung Anteil an der Strafjustiz. Die Anteilnahme ist noch gewachsen, genährt durch die politische Erörterung, seit dem Reichstag endlich ein Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch an Stelle des zur Zeit noch geltenden vonm Jahre 1871 vorgelegt worden ist. Einen breiten Raum in allen Besprechungen nimmt die Frage ein, welche Strafarten man wählen soll – z.B. ob man die Todesstrafe beibehalten soll und wie man die Strafen vollziehen soll.
Das Streben weitester Kreise geht dahin, milder als bisher zu sein, nicht mehr nur wegen der Tat, des Erfolgs halber zu strafen, sondern vor allem den Täter und die Größe seines Verschuldens in den Vordergrund zu stellen. , ihn womöglich zu bessern. Vergangenen Zeiten waren solche Anschauungen fremd. Sie bestraften den Täter nur wegen seiner Tat, ganz gleich, aus welchem Grunde er sie beging. Im folgenden soll erzählt werden, wie im 16. Jahrhundert in einer thüringischen Stadt, in Jena, gestraft wurde und auf welche Art und Weise die Strafen vollzogen wurden. Solche geschichtlichen Rückblicke sind des Vergleichs halber immer von Wert. Die urkundlichen Unterlagen zur folgenden Darstellung stammen aus dem Nachlaß meines Vaters, des Lehrers Karl Seesemann.
Die Strafen waren erschreckend hart. Man unterschied Strafen an Hals und Hand und Strafen an Haut und Haar. Strafen an Hals und Hand waren:
1. Die Todesstrafen: Enthaupten, Hängen, Ertränken. Diese drei galten als verhältnismäßig mild, wurden aber verschärft durch Schleifen auf einer Kuhhaut(Daher der noch heute übliche Ausdruck”Das geht auf keine Kuhhaut”.) Rädern, lebendig vergraben, verbrennen, vierteilen.
2. Die Verstümmelungen: Schinden, Augenausstechen, Brandmarken, Handabhauen, Ohrenabschneiden. – Zu den Strafen an Haut und Haaren gehörten u.a.: Scheren einer Kopf -oder Barthälfte, Ohrenschlitzen, Wassertauchen, Auspeitschen, Halseisen tragen, Steine tragen, Spießrutenlaufen, , der „Käsekorb”(am Johannistor). Darin wurden liederliche Frauenspersonen eingeschlossen und ausgestellt. Gefängnis(bezeichnenderweise ganz selten verhängt). Landesverweisung. Die geringsten Strafen waren die Geldstrafen, die sogenannten Gewette: das schlichte Gewette – 1 Schilling, das Frevelgewette – 5 Schillinge, das höchste Gewette – 30 Schillinge. Bemerkenswert ist die manchmal auf Ehebruch gesetzte Strafe: Der Ehebrecher mußte nach seinem Vermögen und des Rates Erkenntnis ein Stück an der Stadtmauer bauen. Man verband also das Angenehme mit dem Nützlichen! Angefügt sei n och die Bestrafung der Leichen von Selbstmördern.
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